Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
24. und 25. Jahrgang.2004/2005
Seite: 117
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Frauenbund, Gesangsverein etc. unter die Führung eines NSDAP-Leiters gestellt, so daß die
Jugend schon früh für Hitler herangezogen wurde. 1938 trat die SS zum erstenmal in
Erscheinung. Sie verhaftete drei jüdische Familien, die jede ein Geschäft in Kenzingen
besaßen. Mitten in der Nacht wurden sie zum nächsten Hauptquartier abtransportiert, hatten
später aber das Glück, daß sie sich loskaufen und fliehen konnten. Zu diesem Zeitpunkt
machte sich zum erstenmal Unruhe in der Kenzinger Bevölkerung breit, doch niemand wagte
es, dieser Maßnahme zu widersprechen. Zu aktivem Widerstand gegen Hitler kam es in Kenzingen
nicht. Es gab zwei, drei Kommunisten und ein paar Sozialisten, die öffentlich ihren
Unmut gegen Hitler verlauten ließen, jedoch gaben sie diesen passiven Widerstand nach
einiger Zeit auf, als ihnen mit Verhaftung und Konzentrationslager gedroht wurde."287

In Die Geschichte der Stadt Kenzingen, Von den Anfängen bis zur Gegenwart berichtet Norbert
Ohler in seinem Beitrag „Weimar, Drittes Reich und Zweiter Weltkrieg", S. 255 ff. (dort
im Kapitel „Verweigerung, Protest, Widerstand") ebenfalls von der Zerschlagung der
Parteien, der Bindung der Jugend an das Regime und bestätigt die fehlende „bemerkenswerte
, parteipolitische Aktivität": „Viele Kenzinger standen dem Nationalsozialismus
reserviert gegenüber; viele traten erst dann der NSDAP oder einer von deren Gliederungen
bei, als der endgültige Sieg der Nationalsozialisten festzustehen schien und man schwere
Nachteile im Beruf und für die Familie in Kauf nehmen mußte, wenn man in Opposition verharrte
. Das zeigte sich jedenfalls bei der politischen Säuberung' 1945/46. Eine Liste vom
21. März 1946 weist 219 Mitglieder der NSDAP aus; 1930 bis 1933 sind jeweils 1, 3, 8 und
22 Personen in die Partei eingetreten, die meisten erst 1937 oder 1938; diese wurden nach
1945 im allgemeinen als , Mitläufer' eingestuft. Etwa 12 gaben an, vor 1945 (vor allem im
Jahre 1944) aus der Partei wieder ausgetreten zu sein - auch das hat es also gegeben. Dazu
kamen 134 Mitglieder der NS-Frauenschaft sowie, nach einer Liste vom 24. Februar 1946,
8 Angehörige des NSKK (Nationalsozialistisches Kraftfahr-Korps), 51 der SA (Sturmabteilung
), 12 der SS (Schutz-Staffel). Die geringe Zahl von Angehörigen der SA und SS
erklärt sich damit, daß viele Männer im Krieg gefallen, vermißt oder noch nicht heimgekehrt
waren."288

Auf S. 274 fährt Ohler fort: „Der Historiker hat oft Mühe, Worte und Gesten aus bewegter
Zeit zu deuten, können sie doch Gedankenlosigkeit, Distanziertheit und Opposition bekunden
. Wie soll man etwa beurteilen, daß die Stadt sich mit der Umbenennung von Straßen so
viel Zeit gelassen hat? Erklären sich andere Auffälligkeiten nur mit chronischem Geldmangel
? Die Stadt mußte gemahnt werden, ehe sie die für den täglichen „Fahnenappell" auf dem
Hof der Realschule notwendigen Masten anschaffte. Sie konnte sich nicht dazu aufraffen,
den ,Völkischen Beobachter' zu abonnieren, das Zentralorgan der NSDAP. Der Beschluß
über eine Beteiligung in Höhe von 2.000 RM am Horst-Wessel-Haus in Emmendingen
wurde zurückgestellt. Die Anschaffung einer Führerbüste - Kopfhöhe 42 cm, mit Sockel 55
cm - für 400 RM wurde erst im November 1941 genehmigt. Auch mit der Anschaffung von
sechs deutschen und sechs Hakenkreuzfahnen hatte man es nicht eilig."289 Diesen Eindruck,
dass Zurückhaltung eher vorherrschte als begeisterte Gefolgschaft, belegt der Autor auch mit
Zahlen: „Auffällig sind einige Ergebnisse aus dem Amtsbezirk Emmendingen: In Kenzingen
bei einer Wahlbeteiligung von 86,6 % 1684 Ja-, 163 Nein-, 41 ungültige Stimmen. Die
Summe von Nein- und ungültigen Stimmen, bezogen auf die Zahl der Ja-Stimmen, ergibt
hier immerhin 12,11 %, in Bombach 29,78 %, in Hecklingen 8,99 % und in Nordweil 31,29
%; zum Vergleich: in Emmendingen 1,23 %, in Teningen 1,28 %. Angesichts des massiven

Aufsatz Fuchs, S. 1 f.

Die Geschichte der Stadt Kenzingen, Bd 1, S. 268.
Ebd., S. 274. Hervorhebungen im Original.

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