Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
26. und 27. Jahrgang.2006/2007
Seite: 55
(PDF, 62 MB)
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Die meisten Menschen reisten, um es zu wiederholen, zu Fuß; noch im Deutschland des 20.
Jahrhunderts konnten sich viele Menschen nichts Bequemeres leisten. Mittelalterliche Pilger
hatten sich nicht selten freiwillig entschieden, per pedes Apostolorum zu einem fernen Heiligtum
zu ziehen, demütig zu Fuß wie die Apostel. Das heißt, dass sie mit jedem Schritt das
Gewicht des Körpers und des Gepäcks von einem Bein auf das andere verlagern mussten, bis
zu fünfzigtausendmal am Tag. Es wird verständlich, dass das Reisen in den Quellen oft
"Arbeit" genannt wird und dass englisch to travel, reisen, auf französisch travailler zurückgeht
: sich mühen. Von Wein abgesehen, kannte man keine kreislaufstärkenden Mittel. Unausgeschlafen
, von Ungeziefer zerstochen, durchnässt, mit Übelkeit und schlechter Laune kämpfend
, hat sich mancher Wandersmann Schritt um Schritt zum Ziel vorgearbeitet.

Als reichten die üblichen Strapazen noch nicht, die Weg, Jahreszeit, Mitreisende bedeuteten,
unterzogen viele sich freiwillig weiterer Mühsal. In Wolle gekleidet, barfuß und mit einem
"Opfer" war eine Frau von Lübeck nach Thann gepilgert, um den hl. Theobald für ihr Kind
anzuflehen, das mit einer verwachsenen Hand zur Welt gekommen war. Ein Mann hatte die
Fahrt unternommen nackendig one alle kleider. Dieser war schutzlos Sonne und Insekten ausgeliefert
, Jene trug Kleidung, die auf der Haut scheuert und juckt, zumal bei Hitze.

Der vornehme weltliche oder kirchliche Herr ritt, von Ausnahmen abgesehen, auf Pferd oder
Maultier. Eine Darstellung in Autun (Burgund) zeigt, wie man sich die Flucht nach Ägypten
(Mt 2, 13 f.) vorgestellt hat: Josef führt den Esel, auf dem Maria, das Jesuskind auf dem Schoß,
im Damensitz Platz genommen hat. So galt es als schicklich. Bis ins 20. Jahrhundert erregten
Frauen Anstoß, wenn sie mit gespreizten Schenkeln auf einem Reittier saßen. Aber nicht jeder
Frau, die zu reiten hatte, standen ein sanfter Zelter und ein holzversteifter Damensattel zur Verfügung
. Zudem sind Pferd und Esel mit dosiertem Schenkeldruck gut zu lenken. Kam es auf
Sicherheit an, etwa auf einem schmalen Gebirgspfad, ritt selbst die Königin im 'Herrensitz'.
Sebastian Brant - Humanist, Dichter und zeitweise Stadtschreiber in Straßburg - stellt in seinem
bekanntesten Werk, dem 'Narrenspiegel' (1494), auch Bettler vor. Die möglicherweise von
Albrecht Dürer stammende Illustration zeigt eine siebenköpfige Familie. Die Eltern gehen zu
Fuß, obwohl der Vater an einer schweren Beinverletzung leidet. Ein Esel trägt in zwei Körben
fünf kleine Kinder (Abb. 4).

Relativ bequem fuhr man auf Karren, weil sich zwei Räder leichter als vier den Unebenheiten
des Weges anpassen; deshalb kam es auch seltener zum Bruch von Achse oder Rad. Längeres
Fahren in einem vierrädrigen Wagen war dagegen eine Tortur; es verwundert nicht, dass man
es vorzugsweise Menschen zumutete, die anders nicht reisen konnten oder sollten: Frauen,
Alten, Kranken und gefesselten Verbrechern. Gedeckte Reisewagen, in der Antike bekannt,
wurden in Europa erst seit dem Spätmittelalter wieder gebräuchlich. In der 'Luxusklasse' hing
der Wagenkasten an Riemen, so dass Stöße ein wenig aufgefangen wurden; ein Dach schützte
vor Sonne und Regen, Fenster gaben den Ausblick frei. Stellmacher standen allerdings noch
lange vor einem Zielkonflikt: Bei großen Rädern kippte das Gefährt eher um, bei kleinen holperte
es von Schlagloch zu Schlagloch oder versank bis über die Achsen im Schlamm. Immerhin
wurden wirksame Bremsen entwickelt, so dass die Fahrt bergab seltener in einer Katastrophe
endete.

Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts setzten sich langsam Verbesserungen durch: Die
lenkbare Vorderachse brachte einen weiteren Gewinn an Sicherheit. Schon leidlich gefedert
waren leichte vierrädrige, für die Personenbeförderung gebaute ,Kutschen'. Bei ausreichendem
Verkehrsaufkommen betrieben Fuhrunternehmer eine Art Omnibus, auf dem man es sich

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