Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
26. und 27. Jahrgang.2006/2007
Seite: 66
(PDF, 62 MB)
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Wie man sich um 825/830 n. Chr. ein Kloster vorstellte, zeigt der Plan von St. Gallen (Abb.
13). Er sieht karge Zellen für Gastmönche vor, eine bescheidene Herberge für Arme sowie ein
Haus für vornehme Gäste; dieses genügte hohen Ansprüchen. Der unterschiedlichen Unterbringung
entsprach die Verpflegung je nach Rang und Würde. Arme sollten mindestens mit
einer Suppe rechnen dürfen; im besten Fall wird man ihnen Fleisch oder Fisch, Käse oder
Speck, Brot sowie Wein, Bier oder Apfelmost geboten haben, zusätzlich vielleicht abgelegte
Kleidung oder eine Münze. Viele Gäste zeigten sich erkenntlich. Herrscher - auch sie riefen
den Klosterheiligen um Hilfe an - garantierten Schutz, verliehen Privilegien, übereigneten dem
Klosterheiligen Liegenschaften oder Rechte; Wohlhabende spendeten edle Metalle, ggf. in
Form von Votivgaben; wenig Begüterte brachten Kerzen oder Geflügel, wiederholt auch Brotgetreide
vom Gewicht der Person, die dank der Fürsprache des Heiligen geheilt worden war.

Hospize entstanden seit dem 8. Jahrhundert in Italien, seit dem 11. Jahrhundert nördlich der
Alpen auch deshalb, weil Klöster der zunehmenden Reisetätigkeit nicht mehr gewachsen
waren. Große Häuser kannten nach Geschlechtern getrennte Schlafsäle und Wärmeräume. Die
Möglichkeiten des Hauses und die Zahl Obdachsuchender entschieden darüber, wie lange man
bleiben durfte - unentgeltlich oft höchstens drei Nächte. Mancherorts erinnerten spartanische
Kargheit und militärische Ordnung eher an eine Kaserne. Doch erschöpften, ausgekühlten
Fremden war auch damit gedient. Die Beköstigung richtete sich nach der Landschaft. Klopften
wenige Reisende an und verfügte das Spital über entsprechende Einnahmen, konnte man
abwechslungsreiche und nahrhafte Kost bieten. Warteten viele Hungerleider, musste ein Boh-
neneintopf, ein mit Öl angereicherter Hirsebrei oder weniger reichen. In abgelegenen Landstrichen
bot manches Spital weitere unschätzbare Hilfen: die Verantwortlichen unterhielten
Brücken, markierten Wege und gaben Geleit durch unsicheres Gebiet.

In einem Haus, in dem auch Alte, Kranke und Wöchnerinnen gepflegt wurden, konnten Reisende
eher mit Beköstigung rechnen als in einer reinen Pilgerherberge. Dafür drohte Ansteckung
, zumal angesichts unzulänglicher hygienischer Verhältnisse. Wer dort nächtigte, trug
vielleicht Keime in Orte weiter, die noch nicht verseucht waren. Kurzfristig konnte das für
Hunderte den Tod bedeuten, langfristig begünstigte das Kommen und Gehen von Reisenden
die Immunisierung der Bevölkerung Europas gegen viele Krankheiten.

Im Laufe der Jahrhunderte sind Abertausende begrüßt, verpflegt, untergebracht, bei Krankheit
gepflegt worden; Gastfreundschaft konnte Sterbehilfe und ein würdiges Begräbnis einschließen
. Da Kleriker und Laien, Mönche und Monialen, seit dem 12. Jahrhundert zunehmend auch
städtische Spitäler und Hospize Gastfreundschaft übten, durften selbst Mittellose davon ausgehen
, für ein Vergelt's Gott wenigstens gelegentlich eine Suppe und ein Lager zu erhalten.
Infolgedessen waren Fernreisen kein Privileg der Wohlhabenden.

Kommerzielle Gastlichkeit entwickelte sich, sobald Wirte von den Einnahmen aus einem Gasthaus
leben konnten, zunächst südlich, seit dem Hochmittelalter auch nördlich der Alpen. Die
Obrigkeit machte die Bezeichnung 'Herberge' wiederholt davon abhängig, dass das Haus mindestens
ein Gästebett bereithielt, ferner Wasser, Futter und Stall für eine gewisse Zahl von Pferden
. Boccaccio malt Verwicklungen aus, zu denen es bei einem Gelegenheitswirt gekommen
war (Dekameron IX, 6). Der Wirt hatte in seiner Kammer ein Bett für sich und seine Frau, ein
weiteres für die etwa 15-jährige Tochter, ein drittes für etwaige Gäste; der einjährige Sohn
schlief in einer Wiege.

Die Ausstattung einer Gästekammer richtete sich nach dem 'Standard' des Hauses, nach Klima,
Zeit und Ort. In südlichen Ländern mochten leichte Decken ausreichen; in nördlichen Breiten

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