Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
26. und 27. Jahrgang.2006/2007
Seite: 78
(PDF, 62 MB)
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sich nicht; nach nur einer Nacht wurden sie verjagt. Auch sonst machte dieses Zisterzienserkloster
keinen guten Eindruck, wie noch zu zeigen ist. Der erbetene Wegweiser ließ sie nach
einer Viertelstunde allein durch den ungebahnten Schnee stapfen.

Burger und Leuthin zogen weiter durch das fremde, tief verschneite Land, „ ich mit halb Mosen
Füßen, dan ich mueste die Schuhe nur anstreiffen wie Pantofflen, und kondt weder Strumpf
noch Schuhe an den Versen leiden, dieweilen sie bis auff das Bain verwundt und verfrohren
waren ". Juckende Frostbeulen, die ihm nachts den Schlaf geraubt haben werden, waren wohl
zu banal, als dass er sie erwähnt hätte. Erst in Clairvaux, weit mehr als 200 Kilometer von Orbe
entfernt, habe der Prior ihm erlaubt, seine „offnen und verfrornen Fließen" im „Krancken-
haus" des Klosters in vier Wochen gesund zu pflegen; darüber hinaus habe er dem Gast sogar
Pantoffeln machen lassen, „ wiewohlen es bey Ihnen nit zue lässig war, daß die junge Professen
dörfften Pantofflen tragen, darumb dan auch Etliche darüber aufstießen". Der Prior wies die
Kritiker scharf zurecht: Gastmönche seien nicht in demselben Maße wie die eigenen Mönche
der Ordnung des Klosters unterworfen; „ man mög uns Gnaden erweisen (als arme Vertribene),
sunderlich in der Noth, wie disem geschehe, es gang sie nichts an ". Auch andere Erfahrungen
Burgers zeigen, dass in vielen Klöstern der Buchstabe längst den Geist getötet hatte; immerhin
hatten die Zisterzienser Anfang des 11. Jahrhunderts die ihr Leben regelnde Ordnung, Charta
Caritatis genannt, Urkunde der Nächstenliebe.

Ein Calvinist gastfreundlicher als Glaubensgenossen

In Lyon sucht Burger vergeblich in Männer- wie in Frauenklöstern eine Bleibe für die Nacht.
Schließlich rät ihm ein Unbekannter, an einem großen Gebäude anzuklopfen; es sei ein „Frauenkloster
", und man werde ihn gern einlassen. Als er gerade die Treppe hinaufgehen will,
warnt ihn ein anderer: Burger gehe da „ins gmein Hurenhaus"! Der „Schelm" habe ihn „ver-
füehren" wollen. Traurig irrt er weiter und muss „bitterlich" weinen, als der Tag zur Neige
geht. In einem Jesuitenseminar setzt sich ein vertriebener deutscher Jesuit nachdrücklich für
ihn ein. Obwohl es inzwischen finster ist, will man Burger nicht einmal eine Nacht auf dem
Boden des „Porten Stüblin " schlafen lassen; „ es sey wider ihren Orden, daß sie etwar Fremb-
der sollen dörffen übernacht beherbergen". Empört über so viel Unbarmherzigkeit, begleitet
der deutsche Jesuit Burger zu einem Gasthaus in der Nachbarschaft. Die Versicherung, der
Jesuitenrektor wolle für Burger bezahlen, quittiert der Wirt, ein Deutscher, mit der höhnischen
Bemerkung: „Nit ein Trunck noch Bissen Brodt wolt ich diesem Religiösen geben auff eüer
Bezahlung. " Es ist nicht das einzige Mal, dass Jesuiten Burger abweisen und dass man ihre
Versprechungen als „lauter Lufft" verächtlich abtut.

Wiederholt haben Wirte sich in ausländischen Städten niedergelassen, wo sie ihren Landsleuten
willkommene Dienste erweisen konnten, in Lyon etwa mit Auskünften zu Schiffspassagen
auf der Rhone. Der Wirt zum „guldinen Löwen" nahm Burger bestens und kostenlos auf: Einzelzimmer
, vorzügliche Speisen und Getränke, Reinigung von Kutte, Kragen und Hemd; er
nötigte ihn, bis zum Fest Johannes des Täufers (24. Juni) zu bleiben, an dem ein großes Feuerwerk
abgebrannt werde. Das Entgegenkommen war umso bemerkenswerter, als der Wirt seiner
„Calvinischen Religion halber" aus Österreich vertrieben worden war. Nie hätte er es für
möglich gehalten, dass Katholiken, und besonders Jesuiten, „so unbarmherzig weren, wie sie
dann iezundt an eüch armen vertribne Herr gewesen seind".

Nächstenliebe wurde also auch in den Wirren des 17. Jahrhunderts über Konfessionsgrenzen
hinweg geübt. Als alter Mann setzt Burger, der manch kritisches Wort zu „Lutherischen" und

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