Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
30. und 31. Jahrgang.2010/2011
Seite: 109
(PDF, 63 MB)
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Theologische Gedankengänge beim Aufblick zur „Himmelswiese".
Ein Urbild und Zielbild menschlicher Sehnsucht: das Paradies

Die Kirche als Bauwerk wurde einerseits als Gleichnis für die Gemeinde der Gläubigen verstanden
, andererseits sah man in dem Kirchengebäude ein Abbild des Himmels. Die Bildideen,
die man zu seiner Darstellung heranzog, waren das Paradies, der Tempel und die Himmelsstadt.
Das Paradies wurde in erster Linie durch eine florale Dekoration veranschaulicht, erschien doch
die Welt der Pflanzen in ihrer Unberührtheit und bezaubernden Schönheit besonders geeignet
dafürxv. Da insbesondere die Gewölbezone, als der den Kirchenraum nach oben abschließende
Raumteil, den Himmel symbolisierte, intensivierte ihre florale Ausmalung in anschaulicher
Weise die Vorstellung des Paradieses und vergegenwärtigte so den göttlichen Urzustand der
Welt. Bereits in vorbiblischer Zeit war mit dem Paradies die Vorstellung eines blühenden, fruchtbaren
Gartens verbunden, den man zugleich als Abglanz göttlicher Herrlichkeit empfand. Aber
nicht allein die Erinnerung an einen paradiesischen Ursprung der Schöpfung wurde im Bild des
Gartens Eden dargestellt, auch die göttliche Verheißung einer zu erwartenden Lebensfülle bei
der Vollendung der Welt gewann im Bild des Paradieses ihre Sinnenfälligkeit und Anziehungskraft
. So ist aus biblisch-theologischer Sicht der Garten Eden nicht zu einem Symbol des verlorenen
Paradieses geworden, er weckt vielmehr Visionen einer paradiesischen Zukunft. Damit
stellt der pflanzliche Kirchenschmuck im Gewölbe dem Betrachter zugleich ein Hoffnungsbild
menschlicher Sehnsucht vor Augen.

Die Schöpfung als Gabe und Aufgabe

Die Kirchenväter der frühen Christenheit verweisen in ihren Schriften oft auf die Herrlichkeit
Gottes selbst in der kleinsten Kreatur. So schreibt Tertullian (um 150 bis etwa 230): „Eine winzig
kleine Blume am Wegrain, die Schale einer Muschel am Strand, die Feder eines ganz gewöhnlichen
Vogels - das alles verkündet dir Gott16. " Man ist davon überzeugt, dass sich Gott nicht
allein in der Bibel offenbart, sondern auch in seiner Schöpfung. Sie ist wie ein Buch zu lesen,
durch das der Mensch zur Gotteserkenntnis gelangt und zu dankbarer Liebe seinem Schöpfer
gegenüber. Aus Gottes Güte und Fürsorge geschaffen, beschenkt die Natur den Menschen mit
ihren nährenden und heilenden Kräften, die ihm insbesondere aus der unerschöpflichen Fülle
der Pflanzenwelt zufließen. Ihre Geheimnisse gilt es zu entschlüsseln, um in ihnen die heilsamen
Absichten des Schöpfers für den Menschen zu erkennen und sie entsprechend wirksam umzusetzen
. Daher wurden die Heilpflanzen als eine wertvolle Gabe Gottes von den Menschen stets
hoch geschätzt. So heißt es bereits in dem Weisheitsbuch Jesus Sirach (entstanden um 180 v.
Chr.): „ Der Herr lässt die Arznei aus der Erde wachsen und ein Vernünftiger verachtet sie nicht
[...] Und er hat solche Kunst den Menschen gegeben, um sich herrlich zu erweisen durch seine
wunderbaren Mittel. Damit heilt er und vertreibt die Schmerzen und der Apotheker macht Arznei
daraus" (Sir 38, 4-7).

Als Gewölbegestaltung eines Gotteshauses im ausgehenden 20. Jahrhundert ruft die Ausschmückung
der Evangelischen Kirche mit ihrer Flora und Fauna, die durch Vögel, Kleinlebewesen
sowie seltene Schmetterlinge vertreten ist, dem Menschen nicht nur den „Gabe-Charakter" der
Schöpfung ins Bewusstsein, sondern ebenso den ihm von Gott gegebenen Schöpfungsauftrag,
die Erde zu bebauen und zu bewahren (Gen 2, 15). Als „Leih-Gabe" ist ihm der Lebensraum
Erde anvertraut, damit er den Reichtum der Natur im Sinn des Schöpfers gestaltet, nutzt und
verwaltet. Dabei sind der Verfügungsgewalt des Menschen prinzipiell Grenzen dadurch gesetzt,
dass jedem seiner außermenschlichen Mitgeschöpfe ein spezifischer Eigenwert verliehen ist.

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