Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
32. und 33. Jahrgang.2012/2013
Seite: 66
(PDF, 62 MB)
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der Dingversammlung anwesenheitspflichtig waren und somit Zeugenschaft auszuüben hatten
, denn darüber wissen wir bislang noch wenig. Schließlich wird in diesem Zusammenhang
noch etwas darüber zu sagen sein, warum hier parallel zu den "Rechten " auch der Ausdruck
"Gewohnheiten " angeführt wurde.

III.

Dass die Dinggerichte der schon Generationen vorher eingerichtete Versammlungsrahmen zur
Verkündung der Ansprüche und Befugnisse waren, ist tatsächlich nicht bestreitbar. Wir wissen
das etwa aus dem berühmten, aus dem 12. Jahrhundert her lateinisch verfassten "Hofrecht von
Münchweier" vom Kloster Ettenheimmünster, wo es heißt: "statutum est, quod abbas habeat
tria iudicia, quae dicitur ,dinc'[...] et iura curiae sunt recitanda "3A - es ist festgesetzt, dass der
Abt drei Gerichtsversammlungen abhalten darf (nicht soll), die ,Ding' genannt werden; und es
müssen dabei auch die Hofrechte aufgesagt werden.

Das "recitare " kann leider nur wenig eindeutig ausgelegt werden, der Textherausgeber übersetzt
mit "verkünden "3\ es könnte indessen ebenso "etwas vorlesen " bedeuten oder aber "etwas
aufsagen " und "rezitieren ", etwas aus dem Gedächtnis abrufen, was dezidiert schon vor
dem Sprechakt eingemerkt war36. Es gibt aber auch andere Quellen, etwa das weit weniger
bekannte, im endenden 12./anfangs des 13. Jahrhunderts lateinisch geschriebene "Hofrecht von
Boersch" im Elsaß, das Abbe Hanauer in seinen "Constitutions des campagnes de 1' Alsace"
in einer heute weitgehend vergessenen Druckausgabe veröffentlicht hat ("Rotule de Boersch",
vom und für das Domkapitel zu Straßburg37). Darin ist von "tria placita in anno " die Rede,
die von allen dem Dinghof zugehörigen Leuten aufgesucht werden müssen ("observan-
tur"; ich übersetze mit "aufsuchen"). Dieses jeweilige Placitum/diesQ Versammlung werde
volkssprachlich "huobdinc" genannt, und die Leute, die zum Dinghof gehörten, seien verpflichtet
, "pro jure hereditario jura dicere et facere, pro quibus interrogatifuerint"38, also das
vererbte und zu vererbende Recht aufzusagen und herzustellen39. Wenn diese Übersetzung eindeutig
und richtig ist, dann waren die Dinggerichte diejenigen eigens einberufenen und als solche
beachtungswürdigen Zusammenkünfte und Handlungen, bei denen Rechtssätze auf Fragen
hin aufsagend überliefert und zugleich gültig gemacht und bestätigt wurden (durch den Rahmen
dieser Zusammenkünfte und dieser Termine). Der Text von Minnewiller/Ammerschwihr, datiert
aus dem "14. Jahrhundert", formuliert das Halten des Dinggerichts explizit als verpflichtende
Leistung der bäuerlichen Hintersassen (vom Förster des Murbacher Abts wird ihnen
"[geboten], [...] sines hern geding ze leistende")40. Und wie am Fall Boersch, so auch am
Falle der Rechte des Klosters Andlau in den breisgauischen Siedlungen mit Kenzingen und am
oben referierten Fall von Oberried wird dann auch über die Dingrechte von Kloster St. Peter
an anderer Stelle erkennbar, dass dies auf Veranlassung der Herrschaftsseite, nicht aus eigenem
Antrieb der bäuerlichen Hintersassen geschieht: Die bäuerlichen Sprecher werden in einem
eidlichen Verfahren von der Herrschaftsträgerseite her gefragt.

Nun noch einmal, um Missverständlichkeiten vorzubeugen: Es wird damit nicht insinuiert,
dass dieser ganze Katalog der "iura" oder auch nur die einzelnen Rechtssätze, die einzelnen
Artikel genau so, mit exakt den gleichen, einmal festgelegten Inhalten über mehrere
Generationen hinweg auf den Dinggerichten mündlich fortgesetzt immer gleichlautend tradiert
worden seien. Modifikationen, Anpassungen und Weglassungen kamen und kommen vor bei
einer solchen, gleichsam fluchtgefahrdeten, weil ausschließlich von der Stimme getragenen und

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