Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
32. und 33. Jahrgang.2012/2013
Seite: 172
(PDF, 62 MB)
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Nach einer kurzen Betrachtung der gesellschaftlichen Entwicklung im 19. Jahrhundert soll an
vier Beispielen die Modernisierung der Landwirtschaft im engeren Raum von Kenzingen in
ersten Umrissen, ohne irgendeinen Anspruch auf Vollständigkeit, skizziert werden.

Alltagsleben und gesellschaftlicher Wandel in Stadt und Land

Es gibt die Aussage, der Alltag der Menschen habe sich in 1000 Jahren vom Mittelalter bis
zur Mitte des 19. Jahrhunderts weniger verändert als seither in den 150 Jahren danach. Für die
Kenzinger dürfte das tägliche Leben schon im 19. Jahrhundert im Vergleich zum Mittelalter
komfortabler gewesen sein, was Wohnen, Essen und Kleidung betrifft. Die Städte spielten in
der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert mit 22 Prozent Anteil an der Bevölkerung noch keine dominierende
Rolle. Auf dem Land blieb aber der Fortschritt geringer. Man war noch immer ganz
von Natur und vom Schicksal beherrscht. Die Leute holten das Wasser am Brunnen und mus-
sten das Feuer hüten (Zündhölzer waren erst im Kommen). Von der Großherzoglichen Ackerbauschule
Hochburg ist uns folgender Verpflegungsplan (1892) bekannt:

Morgens: Kräftige Milchsuppe, an Sonn- und Feiertagen Kaffee mit Weißbrot.

Mittags: Suppe, 5 x wöchentlich Gemüse oder Salat usw. und Fleisch (200 g beinfreies),
2 x wöchentlich Mehlspeise (Pfannkuchen) mit Dörrobst und dergleichen.

Abends: Suppe, 4 x wöchentlich Fleisch oder Wurst mit Salat, 3 x wöchentlich Milch
und Kartoffeln.

Dazu: Wöchentlich 5 kg gut ausgebackenes Schwarzbrot und täglich vom 1. Juni
bis 1. Oktober 2 Liter und vom 1. Oktober bis 1. Juni 1 Liter Obstwein.

Die Mehrzahl der Leute auf dem Lande lebte von der Hand in den Mund. Die Hungerjahre
1816 und 1817, später 1846/47 verschärften die Lage. Die große Masse der Landbevölkerung
musste mit wenigen Morgen Land auskommen. Die Realteilung hatte die Güter auf 2-5 ha
zerstückelt, in Weinbauorten waren die Flächen noch kleiner. Die Region war ein Land der
Klein- und Kleinstbetriebe mit Zwergbauern. Das Bevölkerungswachstum (Tab. 1) zwang zu
weiteren Realteilungen der Betriebe. Gegen Mitte des 19. Jahrhundert verfügte mehr als die
Hälfte aller landwirtschaftlichen Betriebe über weniger als 2 ha Land (Tab. 2). Die Angst vor
Übervölkerung wuchs. 1825 lag der eigentliche Bevölkerungsschwerpunkt mit 100-200 Einwohnern
pro km2 ganz offenkundig in der weniger von Überschwemmungen heimgesuchten
Vorbergzone zwischen Emmendingen und Herbolzheim. Dieses Verteilungsbild ist auch insofern
aufschlussreich, als in jenem weit vor der Industrialisierung liegenden Zeitraum die Einwohnerdichte
einen guten Indikator für die landwirtschaftliche Leistungsfähigkeit bildet. Die
klimatisch günstigen Lagen des vom Wein- und Ackerbau geprägten nördlichen Kaiserstuhls
und der Vorbergzone, aber auch die fruchtbaren, reinen Ackerbaugebiete der Niederterrasse
werden damit gut fassbar. Heute stellen wir nicht nur ein großes Bevölkerungswachstum, sondern
auch eine dichte Verteilung mit über 500 Einwohnern pro km2 im südlichen Kreisgebiet
Emmendingen fest.

Zwischen 1825 und 1994 hat sich die Einwohnerzahl in der Vorbergzone knapp, im Landkreis
Emmendingen mehr als verdoppelt, womit der Bevölkerungszuwachs verglichen mit Gesamt-
Baden allerdings verhalten ausgefallen ist. Im Bevölkerungseinbruch um 1855 spiegeln sich
die berüchtigten Hungerjahre Badens mit ihren katastrophalen Folgen sowie die damit zusam-

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