Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
32. und 33. Jahrgang.2012/2013
Seite: 175
(PDF, 62 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2013-32-33/0177
Der soziale Zusammenhalt blieb dennoch in Dörfern und Kleinstädten weitgehend intakt. Die
persönliche Solidarität in Verwandtschaft und Nachbarschaft war wichtiger als die öffentliche
Sozial Versorgung. Das städtische Bürgertum war indessen geprägt von Intellektuellen, höheren
Beamten, Lehrern, Geistlichen, Ärzten und Rechtsanwälten, durchsetzt von Handwerkern und
ersten Unternehmern. Man traf sich regelmäßig in Vereinen, Lesegesellschaften (in Kenzin-
gen seit 1842) und kulturellen Einrichtungen. Vermutlich bildeten die bürgerlichen Vereine
die wichtigste Transmission zwischen oben und unten im Staat. Die politische Partizipation
der Bevölkerung blieb aber noch sehr begrenzt. Man kümmerte sich um Gemeindeangelegenheiten
, wozu auch das Krankenhaus, die Schule und die Armenfürsorge zählten. Hinzu kam
die Abzahlung des Kredits, den Kenzingen zur Deckung der Kosten für die Zehntenablösung
im Jahre 1852 hatte aufnehmen müssen. Mitte der 60er-Jahre verschuldete sich die Gemeinde
erneut, als sie ihren Anteil für den neuen Leopoldskanal (1846) bezahlen musste.

Der Verlust des Amtssitzes (1877 Verlegung nach Emmendingen), verbunden mit schlechten
Ernten, neuen Rebkrankheiten 1886 (Peronospora und Oidium) bedingten einen deutlichen
Rückgang des Wohlstandes in den 70er-Jahren. Als gefährlichster Bestandsschädling bedrohte
die 1874 bei Bonn festgestellte Reblaus einige Jahre später auch den Weinbau hierzulande.

Kenzingen blieb von der Industrialisierung wie etwa in Mannheim, Karlsruhe, Pforzheim und
Freiburg, Lörrach und Lahr lange unberührt. Die Verantwortlichen in den städtischen Gremien
hatten die Zeichen der Zeit nicht richtig erkannt und sich kaum um die Ansiedlung industrieller
Betriebe bemüht. Besonders in Bezug auf das Steueraufkommen der Stadt wirkte sich dies
negativ aus. 1910 überwog immer noch der landwirtschaftliche Sektor, gefolgt vom Handwerk,
das mit 88 Betrieben die 71 Gesellen und 52 Lehrlinge beschäftigte. Der bedeutendste Anteil
des städtischen Vermögens bestand in Kenzingen aus 966 ha Wald.

Während das Deutsche Kaiserreich ab 1871 mit seiner Industrie ins Zeitalter der Moderne katapultiert
wurde, lässt sich für unsere Region feststellen, dass zum Ende des 19. Jahrhundert nur
ein stiller, langsamer sozialer Wandel weiter voranschritt - ohne dramatische Beschleunigung.
Gut zwei Drittel der Kleinbauern waren auf Nebenerwerb angewiesen. Die weitaus meisten
Familien besaßen noch ihr eigenes Haus. Der Tageslauf wurde durch dreimaliges Betzeitläuten
der Angelusglocke geregelt. Den Ablauf des Jahres bestimmten die Kirchen- und Heiligenfeste
(1880 waren hier noch 90 Prozent der Bürger katholisch). An den Wendepunkten des Lebenslaufes
(Taufe, Hochzeit, Leichenbegräbnis) nahm die Öffentlichkeit teil. Das örtliche und regionale
Brauchtum folgte ererbten Regeln.

Die Lage der Landwirtschaft

Die Sozialstruktur auf dem Lande war im jungen Großherzogtum noch vom mittelalterlichen
Feudalsystem geprägt. Zwar wurde die Leibeigenschaft in Vorderösterreich schon 1782/83 aufgehoben
, auf dem Weg zu der in der Verfassung verbürgten Rechtsgleichheit aller hatte der
Gesetzgeber aber noch viele Barrieren zu überwinden:

- Eine umfassende Steuerreform ersetzte 1815 viele der örtlichen und regionalen Sonderabgaben
und Gebühren durch eine einheitliche Ertragssteuer.

-Aufhebung der Frondienste (1820-1825); ausgenommen Fronleistungen für den Kranken-,
Pfarr- oder Schulhausbau.

175


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2013-32-33/0177