Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
32. und 33. Jahrgang.2012/2013
Seite: 206
(PDF, 62 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2013-32-33/0208
Die Interessengemeinschaft der vertriebenen Deutschen und ihre
Nachfolgeorganisation in Kenzingen.

Gratwanderungen zwischen Integration und Separation

Hans-Werner Retterath

In der letzten Ausgabe der „Pforte" habe ich über den Zuzug der Flüchtlinge und Vertriebenen
in Kenzingen nach dem Zweiten Weltkrieg berichtet. Dabei ging es nicht nur um die Behebung
wirtschaftlicher und sozialer Nöte, unter denen der Wohnraum- und Arbeitsplatzmangel
besonders augenfällig waren. Auch vielfältige kulturelle Verschiedenheiten sorgten für Probleme
. Um diese erfolgreich lösen zu können, war das Gefühl der wechselseitigen Akzeptanz
eine wichtige Grundbedingung. Wie und durch wen wurden diese Probleme angegangen? Nach
dem althergebrachten Obrigkeitsdenken waren hierfür die staatlichen und kommunalen Stellen
verantwortlich, die mit den Wohlfahrtsorganisationen zusammenarbeiteten. Und wo blieben die
Betroffenen, die Flüchtlinge und Vertriebenen1? In einer demokratischen Gesellschaft muss-
ten auch sie sich mit ihren Vorstellungen artikulieren können und gehört werden. Es musste
dem demokratischen Geist widersprechen, Politik nicht mit ihnen, sondern über sie hinweg zu
machen. Hier erfüllten Interessenvertretungen eine wichtige Funktion für das Gemeinwesen.
Durch Wahlen legitimierte Repräsentanten der Vertriebenen konnten einschlägige Forderungen
nach außen vertreten; umgekehrt gab es nun für die Alt-Kenzinger und die offiziellen Stellen
Ansprechpartner. Im Konfliktfalle konnten Vertriebenenvertreter wesentlich besser als Einheimische
auf Vertriebene einwirken und Verständnis für die Einstellungen und Befürchtungen der
Einheimischen vermitteln, was allerdings keine leichte Aufgabe war.

Damit die Flüchtlinge und Vertriebenen in der Öffentlichkeit mit ihren Vorstellungen und Forderungen
wahrgenommen wurden, war es unabdingbar, dass sie ihre eigenen Organisationen
- von soziokulturellen bis hin zu parteipolitischen - gründen konnten. Angesichts der sozialen
und wirtschaftlichen Konfliktstoffe im Nachkriegsdeutschland wollten die Alliierten eine Organisierung
dieser Migrantengruppe verhindern. Deshalb verordneten die Besatzungsmächte
im Frühjahr 1946 ein Koalitionsverbot, das die Gründung von Vertriebenenparteien untersagte
und die Bildung von Vertriebenenorganisationen mit sozialpolitischen Zielen erschwerte. Dahinter
stand das Ziel einer schnellen Assimilation. Das Verbot wurde am 9. Juli 1949 von den
Alliierten aufgehoben. Am 14. Januar 1950 bestätigte die Bundesregierung die Rücknahme des
Koalitionsverbots für die Vertriebenen. Die letzte Regelung war wohl nur noch ein gesetzestechnischer
Akt, dem bereits Verbandsgründungen vorausgegangen waren. Da die Entwicklung
in Kenzingen nicht losgelöst von der auf Bundes- und Landesebene verstanden werden kann,
folgt ein kurzer allgemeiner Überblick.

Soziokulturelle Organisationen und eine Partei

Zwei organisatorische Verbünde prägten in der ersten Nachkriegszeit das Bild der Vertriebe-
nenvertretung2. Dies waren zum einen die „Vereinigten ostdeutschen Landsmannschaften"
(VOL). In dieser Organisation hatten sich im August 1949 die landsmannschaftlichen Gruppierungen
zusammengeschlossen. Erster Präsident wurde Hans Lukaschek (führendes CDU-

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