Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
34., 35. und 36. Jahrgang.2014-2016
Seite: 135
(PDF, 66 MB)
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Dann ging es mit dem Schnellzug von Zagreb über Nova Gradiska nach Vin-
kovci. Ganz schön anstrengend mit all dem Gepäck, vor allem der unhandliche
Trolli entpuppte sich als Feind. Alle im Abteil schliefen, und da das bekanntlich
ansteckend ist, döste auch ich vor mich hin. Aus dem Halbschlaf schreckte ich
immer wieder hoch: Aber nein, alles war in Ordnung, ich hatte mein Ziel nicht
verschlafen und war nicht in Belgrad gelandet. Alles lief nach Plan. Trotzdem
beschloss ich sicherheitshalber, den Rest der Reise rauchend auf dem Flur zu
verbringen (ob das heute wohl noch erlaubt ist?). Bereits 20 Minuten vor Ankunft
in Vinkovci bugsierte ich mein „Höllengepäck" zum Ausgang. Wie gut, dass ich
beim Ausstieg Hilfe hatte, sonst hätte ich wohl Verspätungen im Zugverkehr zwischen
Zagreb und Belgrad verursacht. Endlich war ich in Vinkovci angekommen,
war nicht in den falschen Zug gestiegen, hatte mein Reiseziel nicht verfehlt und
es außerdem geschafft, samt dem Koffer und allen fünf Taschen anzukommen.
Am Bahnsteig warteten schon Vesna Sabaric, Mirnas Mutter, und Bozica Kohl
auf mich, Mirnas Großmutter. Bei ihr sollte ich für die kommenden zwei Monate
wohnen. Nach einer herzlichen Begrüßung bestand Frau Kohl darauf, den 20
Kilo schweren Koffer zu übernehmen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, aber
Widerstand war zwecklos. In der Wohnung angekommen, wurde ich mit einem
opulenten Abendessen empfangen. Ich spürte gleich, hier war ich willkommen
und würde mich wohlfühlen.

Am nächsten Tag begleitete mich meine Gastgeberin zum Roten Kreuz Vinkovci,
vorbei am Stadtmuseum. Das Stadtmuseum befindet sich in einem schönen Barockgebäude
, das bis Ende des 19. Jahrhunderts Sitz der Broder Grenzverwaltung
war. Es liegt im Stadtzentrum an einem Park, der heute Banus-Josip-Sokcevic-
Platz heißt. Als es in Slawonien noch die Militärgrenze gab, war hier der Exerzierplatz
gewesen. Nur einen Steinwurf entfernt liegt in der „Langen Straße" das
Rote Kreuz Vinkovci, das die Einheimischen nur „kriz" (deut.: Kreuz) nennen.

Da die Städtepartnerschaft aus der humanitären Zusammenarbeit des Roten Kreuzes
Vinkovci und des Roten Kreuzes des Kreises Emmendingen entstanden ist,
war meine erste Anlaufstelle das Rote Kreuz in Vinkovci. Dort empfing mich
Branko Tomic. Als Hauptamtlicher war er damals zum einen für die Jugendarbeit
zuständig, zum anderen für die Exhumierung und Identifizierung von Toten aus
Massengräbern in der Vinkovcier Umgebung, die der Krieg in den 1990er-Jahren
gefordert hatte. Bis 2006 wurden aus 52 Massengräbern und mehreren Einzelgräbern
1970 Opfer exhumiert, von denen 1693 identifiziert werden konnten. Bis
heute werden Personen vermisst. Branko Tomic gewährte mir Einblick in seine
schwierige Arbeit: Er muss die Angehörigen der Opfer aufsuchen und Informationen
über die Opfer einholen, wie zum Beispiel alte Verletzungen oder Knochen-

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