Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
34., 35. und 36. Jahrgang.2014-2016
Seite: 209
(PDF, 66 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2016-34-36/0211
Mangel an Kapital, ein großes Angebot an Arbeitskräften und niedrige Löhne
trugen dazu bei, dass bis in die 1960er-Jahre die Landwirtschaft nur schleppend
mechanisiert wurde. In Baden hat man in den 1930er-Jahren noch große Getreideflächen
von Hand eingesät und weiterhin den Dreschflegel geschwungen, obwohl
Dreschmaschinen seit dem 19. Jahrhundert bekannt waren. Da die meisten
Kühe zur Arbeit gebraucht wurden, gaben sie wenig Milch; Tagesdurchschnitte
von fünf bis sieben Litern waren nicht ungewöhnlich.

1925 zählte man in der Stadt 103 Selbständige, davon 36 Kaufleute und 67 Handwerksmeister
. Sechs Fabriken hatten 20 und mehr Arbeiter. Von den 270 Industriearbeitern
, die vorwiegend Tabakwaren herstellten, waren 174 Frauen, mehr
als die Hälfte also. Außerhalb ihres Wohnortes arbeiteten 88 (von den Frauen 65).
Die vielen Pendler zeigen, dass es in Kenzingen an Arbeitsplätzen in Industrie
und Gewerbe fehlte.

Drückende Mängel wurden verkraftet, weil man anspruchslos war und sich lebhaft
daran erinnerte, was man jüngst alles entbehrt hatte. Ein Blick in das Lohnge-
füge: Grundgehalt und Ortszuschlag zusammengezählt, verdienten in den 1920er-
, 193 Oer-Jahren im Monat der Forstwart 184 Mark, der Bürgermeister etwa 520
Mark, nicht ganz das Dreifache. Der Ratsdiener hätte sich von seinem ebenfalls
nicht üppigen Gehalt pro Tag je ein Kilogramm Schwarzbrot, Erbsen und Boh-
nenkaffe leisten können.

Akten der Stadt spiegeln seit Ende der 1920er- und bis weit in die 1930er-Jahre
verbreitete Arbeitslosigkeit, Verschuldung und Not wider. Im Rahmen ihrer geringen
Möglichkeiten half die Stadt mit Bargeld, mit Brennmaterial, Kleidung
und Lebensmitteln sowie mit der Stundung von Gebühren, Steuern und Miete; oft
handelte es sich nur um ein paar Mark.

Trotz drückender Mängel haben sich die Kenzinger von 1919 bis 1933 zur parlamentarischen
Demokratie bekannt. Eine Änderung kündigte sich an, als im Oktober
1929 bei der Landtagswahl die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
(NSDAP) 186 Stimmen gewann (15,5 Prozent). Bei Wahlen zum Reichstag, zum
Landtag und zum Ortsparlament wurden in den folgenden Jahren die demokratischen
Parteien zwischen der NSDAP und der ebenfalls antiparlamentarischen
und antidemokratischen KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) zerrieben.
Ausgesprochen gut hielten sich in Kenzingen die Parteien, die sich der Demokratie
und dem Recht verpflichtet wussten.

Anfang der 193 Oer-Jahre beschleunigte sich die unheilvolle Entwicklung, weil
eine soziale, eine wirtschaftliche, eine politische und eine Verfassungskrise einander
verstärkten. Doch weder im Reich noch in Kenzingen hat die NSDAP bei
freien Wahlen jemals die Mehrheit der Stimmen gewinnen können. Trotzdem
meinten Millionen von Deutschen, unter ihnen Hunderte von Kenzingern, nur
Adolf Hitler, der Führer der NSDAP, könne Deutschland vor Chaos und Bürgerkrieg
bewahren.

209


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2016-34-36/0211