Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
34., 35. und 36. Jahrgang.2014-2016
Seite: 298
(PDF, 66 MB)
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„geflüchtet" waren. In Deutschland hat man jetzt Mähdrescher, da kann man gespannt
sein, wie sich dies auswirken wird, sinniert der Ältere.

Im Gegensatz zu dem jungen Bauern idealisiert der alte das Leben in Novo Selo
nicht. Obwohl es ihnen „ziemlich gut" gegangen sei, erinnert sich der Großvater
an die schwere Arbeit bei nur mäßiger Nutzung von technischen Gerätschaften.
Dagegen verweist sein Sohn vor allem auf die positiven Seiten der Landwirtschaft
in Novo Selo. Voller Stolz berichtet er von der erfolgreichen Pferdezucht, die
nicht nur viel Geld einbrachte, sondern es ihnen auch ermöglichte, sich vor den
Mitbürgern auf Kutschfahrten entsprechend zu präsentieren. Des Weiteren lobt
der alte Bauer das Subsistenzprinzip des Novo Seioer Weinbaus. Außerdem habe
man statt „Masse" eher „Klasse" produziert. Der Wein wird wegen des gemeinsamen
Konsums als ein Katalysator für Geselligkeit und Gemeinschaft angesehen.
Allgemein schwingt bei diesen Ausführungen immer auch der Vergleich mit der
aktuellen Lage der Erzähler in Deutschland mit, als dessen Ergebnis Verlusterfahrungen
aufscheinen. Ohne es ausführlich zu verbalisieren, wird deutlich, dass der
alte Status weder in wirtschaftlicher noch in sozialer sowie in kultureller Hinsicht
erreicht ist. Dies tangiert den jungen Bauern ungleich stärker als den alten, was
möglicherweise auf dessen größere Lebenserfahrung zurückzuführen ist.

Nach den Berichten der beiden Männer zu eher „harten" Themen wie Politik und
Landwirtschaft bedient nun die Schwiegertochter die „weichen" Themen wie
zum Beispiel Bräuche. Sie beginnt mit Kindheitserinnerungen, und zwar mit dem
Fest, das für Kinder wohl die meisten Überraschungen bot: mit Weihnachten19.
Als Kinder freuten sie sich schon lange darauf, besonders auf das „ Christkind-
che" und den „Pelznickel". Sie kamen an Heiligabend, meist zwischen 19.00
und 19.30 Uhr. Das Christkind war weiß gekleidet, „wie ein Engel", und trug
einen Schleier, damit man es nicht erkennen konnte. Meist war es eine Nachbarin,
ein Geschwisterkind oder eine gute Bekannte. Wenn die Kinder „brav" gewesen
waren, gab es schöne Sachen, wenn sie „schlimm " gewesen waren, gab es Hiebe.
Bei seiner Ankunft klopfte das Christkind an die Haustür und „ rappelte " mit den
„Schellen ". Von außen fragte es, ob es hinein kommen dürfe. „Natürlich " sagten
die Eltern. In der Stube erkundigte es sich bei den Kindern, ob sie auch beten
könnten. Das bejahten sie und sagten folgendes Gebet auf:

„ Christkindche kumm [komm] in unser Haus.

Leer deine große' Tasche' aus.

Stell den Schimmel unter den Tisch,

dass er Heu und Hafer frisst.

Christkindche kumm, mach mich frumm [fromm],

dass ich mit dir in de Himmel kumm. "

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