Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
34., 35. und 36. Jahrgang.2014-2016
Seite: 300
(PDF, 66 MB)
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wünschen und besuchten die großen „MäJ"(-chen) und die Großeltern. Dabei
schössen sie aus bändergeschmückten Pistolen und gingen erst gegen Morgen
schlafen. Die kleineren Jungen waren dann nach ihnen an der Reihe. An Neujahr
besuchten sie die Großeltern, Vettern, Basen und Bekannte. Die junge Frau zitiert
dann noch einen Spruch, der jedoch wegen der Branntwein-Heische eher zu den
Älteren als den Jüngeren passt. Der Spruch wird beim dritten Interview nochmals
wiederholt. Seine Wiedergabe scheint dort zutreffender zu sein, da der Erzähler
vor dem Krieg als Mitglied der Junggesellengruppe das Aufsagen des Spruches
jedes Jahr vor vielen Häusern - also mehrmals und aktiv - miterlebte. Dagegen
hat die junge Frau ihn nur ein Mal jährlich passiv zur Kenntnis genommen.

Des Weiteren erläutert die Informantin das abendliche gesellige Beisammensein,
so wie es hauptsächlich in der Winterzeit stattfand: Je sechs Mädchen und Jungen
bildeten eine „ Gesellschaft". Alle Neudorfer, auch die Älteren, gehörten zu einer
solchen. Man traf sich als Schulkameradschaft oder als Nachbarschaft. Vom 1.
November an waren alle Leute ab 18.00 Uhr unterwegs und fanden sich zueinander
, die Jungen früher, die Älteren später. Zu den Zusammenkünften nahmen die
Mädchen und Frauen ihre Handarbeiten mit. Es wurde an der Aussteuer gearbeitet
, an den Röcken und der Bettwäsche genäht, gehäkelt, gestrickt und gestickt,
während die jungen Männer Karten spielten. Es wurden Lieder gesungen und
man unterhielt sich. Gegen 22.00 Uhr ging man nach Hause. Da es im Ort keine
elektrische Beleuchtung gab, benutzten ältere Leute Laternen, die sie bei Dunkelheit
, aber auch bei Regen anzündeten, damit sie etwas sehen konnten. Auch hier
schließt die Erzählerin mit der Floskel: „Des wäre mr nie vergesse!" Verstärkend
fügt sie an: „ Wir denken noch gern zurück an unsere Jugendzeit in Naidorf '[Neudorf
] bei Winkowzi."

Gerade in der Winterzeit nahm das Leben der bäuerlichen Bevölkerung einen
ruhigeren Verlauf. So blieb auch Raum für Geselligkeit, die einerseits das Zusammengehörigkeitsgefühl
der Schuljahrgänge und Nachbarschaften steigerte. Andererseits
kamen jetzt soziale Kontrollmechanismen stärker zum Zuge, über deren
negative Seiten meist nichts berichtet wird. Angesichts der Evakuierung und der
anschließenden prekären Lebensumstände, die sich erst nach Jahren allmählich zu
bessern begannen, verwundert es nicht, dass das winterliche Beisammensein als
das genaue Gegenteil herausgestellt wird. Mit der abschließenden Redewendung
suggeriert die Erzählerin auch, dass das Erzählte nicht mehr wiederholbar sei.
Einmal mehr wird deutlich, dass Menschen zwar aus ihrer physischen Heimat
vertrieben werden können, nicht jedoch aus dem Reich ihrer Erinnerungen.

Nach den Brauchschilderungen singt die Erzählerin jeweils zwei Strophen folgender
zwei Volkslieder vor, nämlich „Heute scheid' ich, morgen wand'r ich, /

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