Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
34., 35. und 36. Jahrgang.2014-2016
Seite: 306
(PDF, 66 MB)
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Dorf gebracht hatten, errichteten sie einen Laubengang, der den Gehsteig vor der
Kirche überwölbte. Als die Kirchenglocken zum Gottesdienst läuteten, zogen die
Konfirmanten angeführt vom Pfarrer durch den Laubengang in die Kirche ein.
Der Laubengang wird im Heimatbuch von Vinkovci und Umgebung als aus der
Ansiedlungszeit stammend deklariert.

Mit dem fragmentarischen Absingen zweier weiterer Lieder endet die Aufnahme.
Kritische Wertung der Aufnahmen

Bei den Tonaufzeichnungen stand die Sammlung von Brauchschilderungen und
Volksliedern im Vordergrund, während die Darstellung des Alltags nur am Rande
interessierte und vor allem keine kritischen Themen angeschnitten wurden. Es
fehlen viele exakte Daten wie z.B. Jahresangaben und andere Kontextualisierun-
gen der Bräuche und Lieder. Dadurch erscheinen sie als etwas Statisches, Zeitloses
und Unveränderliches.

Gleichwohl weisen bei den Bräuchen die Berichte unterschiedlicher Personen
Differenzen auf, die nicht nur Erinnerungslücken geschuldet sind. Sie belegen
auch die dia- und synchrone Dynamik und Varianz von Bräuchen. Deshalb ist die
Behauptung einer bestimmten Form der Ausübung eines Brauchs als allgemein
gültig immer kritisch zu werten.

Bei den Liedern vermisst man die Fragen zur Singpraxis (Sänger, Anlass, spontanes
Singen oder im Rahmen eines Auftritts usw.). Ebenso wird die Rolle des
Gesangvereins „Frohsinn" nicht angesprochen. Hier wirkte nach, dass Vereine als
willkürliche, zweckorientierte Gründungen nicht zum Bereich „Gemeinschaft"
zählten32. Indem Künzig nur Volkslieder sammelte, schieden andere Lieder wie
Schlager oder Operettenlieder aus, da sie nicht als Gemeinschaftslieder galten,
sondern als Zeichen einer Überfremdung des Bäuerlichen gesehen wurden33. Auch
fehlen anderssprachige Lieder, was dem Ruf Novo Selos als Hort des Deutschtums
abträglich gewesen wäre.

Trotzdem vermitteln die drei Tonaufnahmen interessante Einblicke in das Leben
der Deutschen in Novo Selo, aber auch in die Befindlichkeiten einiger Bewohner
nach der Evakuierung und Existenzgründung in Deutschland. Hierbei
müssen neben Erinnerungslücken immer auch die historische Lage sowie die
Bedingungen zurzeit der Erzählung mitgedacht werden. Zudem hat Künzig mit
großer Sicherheit vor Beginn der Aufnahmen deren Ablauf mit den Informanten
besprochen, auf die Inhalte Einfluss genommen und eventuell die Gesprächsrollen
verteilt. Aus diesen Gründen muss mit dem Begriff „Authentizität" vorsichtig

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