Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
37. und 38. Jahrgang.2017/2018
Seite: 200
(PDF, 59 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2018-37-38/0202
Ein Künstler der vergessenen Generation.
Zum 90. Todestag von Wilhelm Oesterle

Helmut Reiner

Zur vergessenen und verschollenen Generation gehören jene bildenden Künstler
im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts, die in ihrer Thematik, im Gegensatz zur
informellen Malerei, dem Tachismus und der Abstraktion stehen, die sich eine
gegenständliche Welterfahrung zu eigen machten. Heute umschreibt man dies
mit dem Terminus Expressiver Realismus. Als überholt und anachronistisch gerieten
diese Maler und Bildhauer ins Abseits des öffentlichen Interesses; auch
nach 1945. Bis 1980 Rainer Zimmermann1 in einer kritischen, dokumentarischen
Publikation den Versuch unternahm, diesen Zustand ins rechte Licht zu rücken.
Realismus ist nicht nur ein Kunststil, sondern auch Zeugnis für die Position, die
der Künstler der Wirklichkeit gegenüber einnimmt. Diese Auffassung des Wiener
Philosophen Günther Anders, am Beispiel von Georges Crosz, bestätigt Günter
Grass wenn er bekennt: „Abstraktion hätte für mich Weltflucht bedeutet. " Dies
gilt auch für die Bildaussagen eines Wilhelm Oesterle.

Der Maler-Radierer Wilhelm Oesterle, dessen Wiege im Breisgaudorf Wagenstadt
stand, erblickte am 22. März 1876 das Licht der Welt. Neben Rudolf Großmann
(Freiburg), Rudolf Riester (Waldkirch) und Emil Weiß (Lahr), gehörte er zu den
wenigen Grafikern unserer Landschaft mit überregionaler Bedeutung.
Oesterle hat Werke geschaffen, von denen die besten Griffelarbeiten einem Vergleich
mit Corinth und Beckmann standhalten. Zwar galt er im Dritten Reich
nicht als „entartet", aber wegen seiner politischen und seiner sozialkritischen Einstellung
als unerwünscht. Seine Arbeiten durften nach einem Bescheid des Badischen
Ministeriums für Kultus und Unterricht vom 20. Februar 1936 nicht mehr
öffentlich ausgestellt werden. Der Weg des Bauernbuben, der schon früh seine
Eltern verlor, war beschwerlich. Sein zeichnerisches Können und den Umgang
mit Pinsel und Farbe erwarb er in der Werkstätte des Kenzinger Dekorationsmaler
Karl Weis. Die anschließenden Studien an der Kunstgewerbeschule Karlsruhe
förderten Fantasie und Kunstsinn des bildungsbeflissenen Handwerksgesellen.

Von Wagenstadt nach Berlin

Um die Jahrhundertwende treibt es den jungen Oesterle nach Berlin. Seine handwerkliche
Tätigkeit erlaubt ihm diesen Aufenthalt. Er findet was er schon immer
suchte. Die Kunstmetropole Berlin fasziniert den Provinzler. Die Bilderwelt eines
Max Liebermann, Slevogt, Corinth und andere Malerfürsten beherrschen die
Szene und geben den Ton an. Schon bald ist Oesterle im Studio von Corinth.
Dieser geniale Maler und Pädagoge vermittelt ihm die nötigen Fähigkeiten zur

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