Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
39. Jahrgang.2019
Seite: 19
(PDF, 34 MB)
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Mein Vater geht in Kenzingen zur Schule (Abb. 8); ich habe übrigens sein Zeugnisheft
wiederbekommen, das er gemeinsam mit seiner Schwester Betty hatte.
Nach beendeter Ausbildung verlässt er seine Eltern, um in Frankfurt zu arbeiten.

Dort begegnet er meiner Mutter, Charlotte Fröhlich, geboren 1907 in Butzbach, das
heute zum Einzugsgebiet von Frankfurt gehört. Beide arbeiten in der Firma „Vesti-
menta", die Berufsbekleidung herstellt (Abb. 11). Sie heiraten 1930 in Butzbach.

Mein Großvater mütterlicherseits, Karl Fröhlich, ist bei der Hochzeit Trauzeuge
meines Vaters. Von meiner Cousine Leona Aronoff aus Los Angeles erfahre ich,
dass unsere jeweiligen Mütter bei unserer Großmutter in Kenzingen, Karoline
Epstein, nicht in Gunst stehen, weil sie keine Aussteuer in die Ehe mitbringen.

Im Jahre 1933 verlassen meine Eltern Deutschland (Abb. 12)gemeinsam mit dem
Chef ihrer Firma und lassen sich in La Rochette in Luxemburg nieder. Herr Adler,
der Chef von „Vestimenta", macht Bankrott, und die Firma wird von Herrn Le-
wandowski aufgekauft.

Am Vorabend des Krieges, Ende August 1939, kommt meine Großmutter mütterlicherseits
, Pauline Fröhlich, zu meinen Eltern nach Luxemburg. Da ihr Ehemann
im März 1939 an einem Herzanfall verstorben ist (sein Grab befindet sich im jüdischen
Teil des Friedhofes von Butzbach), treibt sie alles dazu fortzugehen. Sie
löst also auf, was ihr gehört, wie man es zu dieser Zeit in Deutschland tun konnte,
das heißt für nichts, und verlässt ihr Land für immer.

Betty, die Schwester meines Vaters (Abb. 6), geboren 1902, geht zum Arbeiten
nach Straßburg, um der Familie in Kenzingen während der Wirtschaftskrise, die
in Deutschland herrscht, zu helfen. Dann kehrt sie zu ihren Eltern nach Kenzingen
zurück, um sich pflegen zu können, denn sie war im Elsass krank geworden
. Schließlich verlässt sie 1938 ihren Geburtsort Kenzingen mit Hilfe von Zoe
Richheimer, die sie nach London kommen lässt. Zoe Richheimer ist eine Cousine
meines Großvaters Michael Epstein. Sie ist eine geborene Kahn und hat einen
Richheimer geheiratet, dem die Zigarrenfabrik Günzburger in Emmendingen gehört
, bei der die Brüder meines Vaters, Simon und Leo, arbeiten.

In London wird Betty Gouvernante in einer jüdischen Arztfamilie. Dann arbeitet
sie in einer Korsettfabrik und während des Krieges in einer Munitionsfabrik. Sie
war von ihrer Mutter dazu erzogen worden, einen Haushalt zu fuhren und zu
heiraten. Das hilft ihr in ihrem neuen Londoner Leben. Sie lebt sehr einfach und
bescheiden, ohne sich zu beklagen. Während des Krieges begegnet sie in der Munitionsfabrik
Max Kaufmann, er ist Witwer, sie heiraten. Max Kaufmann hat zwei
Töchter, Margot und Lilo, aber das Paar wird zusammen keine Kinder haben.

Mein Onkel Heinrich (Henry) (Abb. 6), geboren 1905, ist koscherer Schlachter
in der Nähe von Kenzingen, in Offenburg. Dank der wiederholten Warnungen
seines Bruders Simon weiß er, dass man fortgehen muss. Er geht über die Grenze

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