Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
39. Jahrgang.2019
Seite: 26
(PDF, 34 MB)
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Als mein Vater erschossen wird, bin ich anderthalb Jahre alt. Natürlich erinnere
ich mich nicht an ihn. Ich kenne ihn nur von Fotos, auf denen er mich vor dem
Haus in Maubec auf dem Arm hält (Titelbild).

Meine Mutter, die an multipler Sklerose leidet, kann nicht mehr gehen, sie ist
an den unteren Gliedmaßen gelähmt. Ich lebe in dieser Umgebung und bin nicht
unglücklich. Meine 1875 geborene Großmutter Pauline versucht, unsere Lage so
gut wie möglich zu gestalten.

Wir leben in der Nachbarschaft einer Bauernfamilie, zu denen ich sehr oft gehe.
Es gibt da einen Jungen in meinem Alter, Pierre Coudouneau und seine drei älteren
Schwestern, Ginette, Renee und Dedee. Die Eltern mögen mich sehr. Der
Vater, Alphonse, der sich als Freidenker bezeichnet, erzählt mir später bei einem
meiner Besuche in Maubec, dass er meinen Vater verstecken wollte, aber der sei
sehr misstrauisch gewesen und habe nie gewollt.

Viele andere Kinder aus dem Dorf helfen uns. Sie holen mich zur Schule ab und
bringen mich zurück, was meine Großmutter entlastet.

Nach dem Krieg kommt mein Onkel Henry, um sich zu verabschieden. Er und seine
Familie gehen 1947 nach Amerika. Sie finden, dass Europa keinerlei Zukunft
für ihre Kinder bietet. Sie wollen mich mitnehmen, aber meine Mutter und meine
Großmutter lehnen das ab.

Schon 1945 unternehmen sie Schritte, um in den Vereinigten Staaten in Portland
(Oregon) zum Bruder meiner Mutter, Julius Fröhlich, zu kommen. Ich besitze
noch die Visa, mit denen wir ausreisen sollten (Abb. 16). Ich stelle mir vor, dass
diese zusätzliche Belastung für meinen Onkel zu schwer und schwierig gewesen
wäre. Seine Schwester ist ja krank, seine Mutter betagt, und ich bin drei Jahre alt.

Wir bekommen auch Besuch von Hugo Heim aus Gossau in der deutschen
Schweiz (Abb. 18). Er hat die beiden Schwestern meines Großvaters Michael
Epstein, die Zwillinge Sophie und Bertha Epstein (Abb. 17), aufgenommen. Sie
waren beide in Gurs bei Pau (Abb. 19) interniert und durften mit Hilfe von Geld
und dank der Intervention von Hugo Heim in die Schweiz ausreisen. Sie leben
damals in der Nähe von Hugos Geschäft in Gossau.

Nach seiner Rückkehr in die Schweiz veranlasst er alles Nötige, damit meine
Mutter einen Rollstuhl bekommt, um sich fortbewegen zu können.

Der Vater von Hugo ist mit Bertha Epstein verheiratet und sie haben eine Tochter,
Sehne, die in Basel lebt. Seline hat eine Tochter Irene, die mit Jose Herz verheiratet
ist. Sie leben in Sierre in der französischen Schweiz und unterhalten dort ein
Bekleidungsgeschäft.

Hugo hat Sinn für familiäre Verantwortung. Er lädt mich sehr regelmäßig in den
Sommerferien ein, zuerst gehe ich nach Gossau, später nach Luzern, wo er und

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