Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
39. Jahrgang.2019
Seite: 32
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Straßburg 1951 bis 1965

1951 kommen wir in Straßburg an. Meine Mutter muss sofort ins Krankenhaus, in
die Neurologie. Sie stirbt dort ein Jahr später.

Meine Großmutter findet sich im „Elisa" wieder, einem in Illkirch-Graffenstaden
gelegenen Altersheim. Sie stirbt 1956.

Was mich selbst betrifft, bringt man mich bei den „Violettes", in einem Kinderheim
, unter. Nach dem Krieg nimmt man dort deportierte Kinder auf. Es wird von
Frau Israel geleitet, und ich bleibe dort sieben Jahre. In derselben Straße befindet
sich ein Jungmädchenheim. Man schickt mich dort so spät wie möglich hin, damit
ich nicht „schamlos" werde. Denn in der Tat haben die jungen Mädchen dieses
Heimes einen schlechten Ruf - zumindest was man bei den „Violettes" darüber
so sagt.

Mein Umzug dorthin findet erst im Alter von 16 Jahren statt, dank der Frau meines
Vormunds (das normale Alter liegt bei 13 oder 14 Jahren).

Im Haus der „Violettes" ist die erste Person, auf die ich treffe, Souris (Maus),
Eliane Hufnagel aus Thionville. Sie öffnet mir die Tür und heißt mich willkommen
. Wir sind seit dieser Zeit befreundet. Heute lebt sie in Jerusalem.

Man meldet mich in der Ecole Aquiba ein, einer jüdischen Einrichtung, wo man
die Schulzeit bis zum Abitur durchlaufen kann. Dann schreibt man mich im Bnei
Akiva ein, einem religiös-zionistischen, jüdischen Jugendverband. Die Idee dahinter
ist gewissermaßen, dass Waisenkinder später in Israel leben sollen.

Wer bin ich? Ich weiß nichts darüber! Ich habe weder Eltern, noch Geld, ich weiß
so wenig über meine Familie, dass ich mich ganz allein auf der Welt fühle. Mein
Start ins Leben ist verglichen mit dem meiner Freundinnen eher hart. Auf jeden
Fall will ich aber nicht in die Spirale des hilflosen Kindes geraten. Ich erinnere
mich genau an meinen Entschluss, Hindernisse, die unüberwindlich scheinen, zu
bezwingen.

Ich bin eine gute Schülerin, aber äußerst schüchtern und zurückhaltend. Außerdem
habe ich einen Minderwertigkeitskomplex, weil ich sehr kurzsichtig bin. Ich
trage eine Brille mit sehr dicken Gläsern. Immerhin mag mich die Direktorin der
„Violettes". Von einer ehemaligen Lehrerin, die sich um unsere Hausaufgaben
kümmert, weiß ich, dass ich als ein Kind aus gutem Hause betrachtet werde (das
wusste ich nicht) und dass man mich beschützen müsse.

Um mich selbst zu schützen, baue ich mir einen Schutzschild, ich will vor allem
nicht noch mehr leiden.

Als ich 14 Jahre alt bin, besucht mein Onkel Simon aus Salvador meinen Vormund
, seinen Vetter Armand Dreyfüss, um mich zu adoptieren. Ich erinnere mich
daran: Ich sitze auf einem Stuhl bei meinem Vormund, und die Männer sprechen

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