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Die Pforte
39. Jahrgang.2019
Seite: 39
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und zu dieser Zeit weiß ich noch nichts von meiner Pariser Familie. Meine Freunde
sehen es auch als einmalige Chance für mich, die ich nun beim Schopf packe.

Im November 1969 steige ich in Le Havre an Bord des Passagierschiffs „Pasteur"
mit Ziel Rio. Das Schiff ist erst seit kurzem von der französischen Handelsflotte in
Betrieb genommen worden. Die Überfahrt dauert elf Tage, mit Zwischenstationen
in Lissabon, wo ich meinen Cousin Eli treffe, dann Las Palmas und schließlich Rio.
Die Reise ist angenehm, mit der Überquerung des Äquators als festlichem Höhepunkt
für die Passagiere. An Bord geht es fröhlich zu, und die Zeit vergeht im Nu.

RIO 1969 -1971

Ich treffe im November 1969 zur Hochzeit meiner Cousine Piedade ein. Bei diesem
Anlass mache ich Bekanntschaft mit einer Schwester meiner Tante Gra£a,
Suitana, die in Washington lebt. Jeden Morgen erteilt Sie mir Portugiesisch-Un-
terricht. In Washington betreut Sie solche Kurse für amerikanische Diplomaten,
die nach Brasilien versetzt werden. Wir sind uns sympathisch, und jedes Mal,
wenn ich später in Washington zu tun habe, besuche ich sie.

Ich bin bei meinem Onkel Leo untergebracht. Zu Beginn spreche ich kein Wort
Portugiesisch und nehme daher etwa 30 Stunden Sprachunterricht. Ich muss mich
verständigen können. Ich kenne niemanden und habe keine Arbeit. Ich muss mich
in diesem neuen Umfeld zurechtfinden, und zudem beginnt bald der Karneval.

Der Karneval war zu jener Zeit längst nicht so kommerziell. Die Parade der Sambaschulen
zieht durch die Innenstadt von Rio. Mit meinem Cousin Eli werde ich
in ein Büro eingeladen, von dem aus wir das Spektakel aus nächster Nähe verfolgen
können. Um über Nacht bleiben zu können, ist für Verpflegung gesorgt.

Der Start in Brasilien erweist sich als schwer. Ich bin es nicht gewohnt, in einer
Familie zu leben, die darüber hinaus sehr religiös ist. Zu allen jüdischen Festen
trifft sich die ganze Familie bei meinem Onkel.

Die brasilianische Kultur ist auch ganz anders, es ist eine chauvinistische Welt.
Man spricht nicht über Politik, ein Militärregime hat das Sagen, bei dem Menschen
brutal von einem Tag auf den anderen verschwinden.

Für die Jugend dreht sich alles um Fußball oder Samba. Bei Abendveranstaltungen
sind Frauen und Männer stets voneinander getrennt. Mich selbst interessiert
natürlich mehr, was sich Männer zu sagen haben als die reinen Frauen-Themen.
Der Kulturschock lässt sich nicht vermeiden! Mir wird auch bewusst, was es
heißt, als Ausländerin in einem Land zu leben, selbst wenn ich unter sehr guten
materiellen Bedingungen lebe.

Während ich darauf warte eine Arbeit zu finden, werde ich von meinem Onkel
in Salvador eingeladen, ihn auf einer seiner Fazendas zu besuchen. An Bord ei-

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