Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
39. Jahrgang.2019
Seite: 51
(PDF, 34 MB)
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Mein Onkel betrachtet sich nicht als guten Redner, aber ich stelle fest, wie viel
Freude ihm das Auftreten vor dem Auditorium bereitet. Als Anekdote berichtet er,
wie sich seine Mutter mit Tricks eine Linzer Torte herstellte. Anstelle von Haselnüssen
verwendete sie Paranüsse, man passte sich eben an. Linzer Torte begleitete
uns von nun an während dieses ganzen Aufenthalts.

Eine Gedenktafel über die Geschichte der Juden in Kenzingen wird hinter dem
Bürgermeisteramt enthüllt, direkt gegenüber vom Standort des ehemaligen Wohnhauses
der Familie (Abb. 24). Rundfunkjournalisten befragen meinen Onkel. Vertreter
der Stadt halten Reden. So manche ältere Leute, die unsere Familie noch
gekannt haben, sind anwesend.

Einige berichten mir, dass sie noch über Bettwäsche verfugen, die sie bei den
Dreifussens erworben hatten.

Ein Mann möchte meinen Onkel treffen, um ihn um Verzeihung zu bitten. Mein
Onkel teilt ihm mit, dass ihm dieses moralische Recht nicht zustehe. Der Mann erklärt
uns, dass er der Hitlerjugend angehörte. Während der Kristallnacht war er an
der Verwüstung des Geschäftes der Familie Dreifuss beteiligt. Alles was auf dem
Gehweg landete, wurde zerstört. Diese Erfahrung hatte ihn für immer geprägt.
Um für diese Sünden zu büßen, ist er ehrenamtlich bei sozialen Einrichtungen in
der Umgebung tätig. Während ihn dieser karitative Einsatz durchaus mit Zufriedenheit
erfüllt, fühlt er sich weiter zum Schuldeingeständnis verpflichtet. Es ist
sehr ergreifend ihn zu sehen und ihm zuzuhören.

Wir besuchen den jüdischen Friedhof von Eichstetten, wo die Hälfte der Gräber
an die Epsteins erinnern. Bei diesem Anlass wird mir bewusst, dass ich einer großen
Familie angehöre. Wir besuchen auch das Grab von Isidore. Es gibt dort auch
das Grab eines meinen Ahnen, aber in einem abgeschlossenen Bereich.

Am Sonntag wird ein ökumenischer Gottesdienst in der Kirche, gegenüber dem
Standort des ehemaligen Wohnhauses der Familie gefeiert. Vom Pfarrer werden
wir mit einem „Shalom" begrüßt. Es werden Reden gehalten, und die Kirche
platzt aus allen Nähten. Mein Onkel berichtet uns, dass er als Kind die Glocken
dieser Kirche geläutet hat und dass er in eine der Kirchenbänke seinen Namen
eingeschnitzt hat.

Fünf Jahre später, also 2004, zum Gedenken an den Widerstand in Deutschland,
wird vom Bürgermeister von Herbolzheim ein Runder Tisch organisiert. Ich werde
als Tochter eines jüdischen Widerstandkämpfers in Frankreich dazu eingeladen
(Abb. 26 und 27). Zu den anderen Gästen zählt auch die Tochter eines deutschen
Wider Standkämpfers, der am Putsch gegen Hitler im Juli 1944 beteiligt war.

Bei dieser Begegnung wird das Leben unserer Väter auf Plakaten (Abb. 30 und
31), bereichert durch entsprechende Fotos, geschildert. Herr Zinsser, ein ehemaliger
Kinderarzt, besucht Eygalayes in der Dröme. Da er die französische Sprache

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