Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
39. Jahrgang.2019
Seite: 74
(PDF, 34 MB)
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Die Toleranz des Landesherrschers Karl Friedrich, Markgraf von Baden, erlaubte
es den Juden, die meisten Gewerbe und Handwerke zu erlernen. Viele Juden
wurden Metzger, Bäcker oder Krämer. Da es ihnen verwehrt war, Ackerland zu
besitzen, ermöglichten ihnen dorfbezogene Tätigkeiten, ihren Lebensunterhalt zu
verdienen, ohne direkt in der Landwirtschaft tätig zu sein. Besonders auffallend
ist, dass viele eng mit dem Viehhandel zu tun hatten. Die Juden dienten als Mittelsmänner
zwischen den Bauern, die Rinder züchteten, und den Großhändlern,
die das Vieh schlachteten und das Fleisch verkauften. Die jüdischen Viehhändler
kauften die Rinder von benachbarten Bauern und brachten sie für den Weiterverkauf
zum Markt. Dabei übernahmen die Juden das Risiko des Endverkaufs und
reduzierten das Risiko für die Bauern in den Dörfern. Die weit reichenden Verbindungen
zu ihren Glaubensbrüdern in der Region ermöglichten den Juden, Netzwerke
zu entwickeln, die ihren Handel vereinfachten. Beide, Christen und Juden,
gediehen unter diesem System, und erst im frühen 20. Jahrhundert nahm die Zahl
der Nichtjuden unter den Viehhändlern zu. Bis dahin aber war der Viehhandel ein
so ausgesprochen jüdischer Beruf geworden, ausgeführt in einem eigenen jiddischen
Dialekt, dass ein Deutschjiddisches Lexikon speziell für Viehhändler herausgegeben
wurde.

Die Juden fühlten sich in den Dörfern sehr wohl und bis Mitte des 19. Jahrhunderts
bildeten sie in Orten wie Altdorf oft ein Fünftel der Bevölkerung. Andernorts in
der Region wie z.B. in Kenzingen, hatten sich nur ein paar Familien niedergelassen
. Wo es eine beträchtliche Zahl von Juden gab, wurde Land für einen Friedhof
gekauft, eventuell eine Synagoge gebaut, Religionsunterricht erteilt und man eröffnete
Ladengeschäfte für jüdische Kundschaft. Jüdische Gasthäuser waren stets
gern gesehen, da im frühen 19. Jahrhundert viele Juden immer noch mit ihren
Waren über ein großes Gebiet hausieren gingen und oft einige Tage am Stück von
ihrem Zuhause weg waren. Altdorf hatte solch ein Gasthaus und eine eigene Synagoge
, obwohl ein ausgebildeter Rabbi der Gemeinde nur gelegentlich diente.

Der Friedhof für die Altdorfer Juden lag im etwa 3 Kilometer entfernten
Schmieheim auf einem vom Gras bewachsenen Hang, umgeben von Feldern und
einem kleinen Baumbestand, wahrhaftig ein Ort des Friedens. Um ihn zu erreichen
, liefen die Altdorfer Juden eine kurvige, enge, von Bäumen gesäumte Strasse
entlang, die über einen Hügel führte. Bei einem Trauerzug wurde der Sarg oft
den ganzen Weg auf den Schultern weniger Männer getragen; manchmal wurde
jedoch auch ein Karren benutzt. ...Die Juden in diesem Teil Deutschlands wurden
von den Reformbewegungen kaum tangiert, die jüdische Gemeinden in den Großstädten
im Norden und Osten überschwemmten. Ihre Religion war eine Mischung
von Tradition und Elementen aus der Volkskultur; sie beinhaltete wenig Elemente
einer hingebungsvollen Gelehrsamkeit. Einige haben sie sogar eine „Volksreligion
" genannt. In der Liturgie der hohen Feiertage zum Beispiel enthielten die vom
Kantor gesungenen Melodien oft kurze Passagen aus Opern; „The Last Rose of
Summer" war eine beliebte Melodie für Gebete.

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