Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
39. Jahrgang.2019
Seite: 78
(PDF, 34 MB)
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te frisch geerntete Tabakblätter von den Bauern in der Gegend und hängte sie auf
dem Heuboden oberhalb der Garage im Hinterhof zum Trocknen auf. Dann verkaufte
er die getrockneten Blätter an Agenten, die sie ihrerseits an die Zigarrenfabriken
in der Region weiter verkauften. Dies war zwar nur ein kleines Geschäft,
aber es war Ludwigs eigene Sache und brachte ihm ein bischen Einkommen ein.
Trotz ihrer Integration im Dorfleben hielt sich Familie Dreifuß an die jüdischen
Vorschriften (Ubersicht). Der Schabbat wurde eingehalten, d.h. der Laden blieb
geschlossen, und die Familie verbrachte den Tag ruhig zu Hause oder bei langen
Spaziergängen aufs Land oder einfach vor dem Haus sitzend. Jahre später erzählte
ein benachbarter Bauer, er sei immer ein bisschen neidisch auf die Juden
gewesen, die einen ganzen Tag ohne Arbeit hatten, und er habe gehofft, in einem
zukünftigen Leben auch als Jude geboren zu werden! Da niemand in der Familie
Licht oder Feuer machen durfte, wurde ein Schabbesgoi (ein nichtjüdischer Helfer
für den Schabbat) angeheuert. Er kam Freitag und Samstag nachmittags, wenn
es früh dunkel wurde, und zündete die Schabbeslampen an, die in den Küchen der
beiden Wohnungen hingen. Diese speziellen Öllampen waren aus Messing und
hatten sechs Arme um ein rundes Mittelstück mit einem Docht in jedem Arm. Sie
gaben gerade genug Licht für das Weiterführen der Aktivitäten. Der Schabbesgoi
war oft ein junger Bub, der für seine Hilfe mit Schokolädchen mit bunten Zuckerperlen
entlohnt wurde.

Einige jüdische Feste im Jahreslauf

Purim

- Erinnerung an die Rettung der Juden im Perserreich



zeitlich bei Fastnacht

Pessach

- Frühjahr / Ostern

Jörn Kippur

- höchster Feiertag, Versöhnung

Rosh Ha-Schana

- Jahresanfang, am Abend wird das Schofarhorn geblasen

Chanukka

- Lichterfest zum Jahresende

Natürlich hielt sich das junge Paar an die koscheren Speisevorschriften. Da es in
Kenzingen keinen koscheren Metzger gab, kauften sie ihr Fleisch und den Aufschnitt
im nahe gelegenen Emmendingen, in Eichstetten oder, wenn sie dort zu
Besuch waren, in Freiburg. Gelegentlich fuhr ein Schochet (ritueller Schlachter)
durch Kenzingen und brachte ein paar frisch geschlachtete Hühner. In den Tagen
vor Pessach kam die Gans, die meine Großmutter Lina im kleinen Hinterhof gehalten
und in regelmäßigen Abständen vorsichtig gestopft hatte, unters Messer.
Wenn wir auf diese Weise frisches Geflügel bekamen, war es Linas Aufgabe, es
rituell zu säubern. Ein großer Topf mit kochendheißem Wasser wurde in den Hof
gebracht, um das Rupfen der Federn zu erleichtern, wobei man aber aufpassen
musste, den Vogel selbst nicht ins Wasser zu tauchen. Das Blut würde sonst gerinnen
und das Fleisch somit unkoscher. Ich beobachtete das Säubern der Innereien
mit größter Faszination. Beim Herausholen der Leber gab Lina immer besonders
acht, dass die Gallenblase nicht platzte. Sonst hätte der bittere Gallensaft die Le-

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