Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
39. Jahrgang.2019
Seite: 153
(PDF, 34 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2019-39/0155
war es Annegrete Keßler vom Deutsch-Israelischen Arbeitskreis Südlicher Oberrhein
(DIA), die den entscheidenden Anstoß für eine angemessene Würdigung der
schlimmen Zeit für die Kenzinger Juden gab. Sie bekam Zugang zu Leo Epsteins
Adresse und trat ab 1997 mit ihm in einen regen Kontakt. Bald trat ihr Reinhold
Hämmerle als Mitherausgeber der Stadtchronik zur Seite und es zeigte sich, dass
Leo Epstein trotz früherer Vorbehalte bereit war, seiner Heimatstadt einen letzten
großen Besuch abzustatten. Den Weg hierzu ebnete ihm zuvor noch Irene Epstein
De Cou, die Tochter seines als Maquisard gefallenen Bruders Alfred. Deren Besuch
im Jahr 1998 verlief so günstig, dass er sich im Juli 1999 mit Sohn Eli und
Schwiegertochter Sonia trotz den Beschwerden des Alters entschloss, Kenzingen
anlässlich der Stadtfestfeierlichkeiten als Ehrengast zu besuchen.

Zum amtierenden Bürgermeister Rolf Schmidt (f), der in Malsch, unweit dem
Geburtsort seiner Mutter zur Welt kam, ergab sich nicht zuletzt wegen dessen
besonderer Lebensgeschichte sofort eine persönliche Freundschaft.

Ein erster Rundgang mit dem Altestenrat des Gemeinderats endete am Rathaus
mit der Enthüllung einer exklusiv erstellten Tafel des „Geschichtsweges" deren
Inschrift lautete: „Die Stadt Kenzingen gedenkt ihrer gedemütigten, entrechteten
und verfolgten jüdischen Mitbürger ". Sichtlich bewegt nahm Leo Epstein diese
späte Geste an.

In der Obhut von Annegrete Keßler und Reinhold Hämmerle erlebten die Gäste
in den folgenden Tagen ein ausgesuchtes Programm: Dies war zunächst ein
Begegnungsnachmittag beim ökumenischen Altenwerk unter Teilnahme vieler
älterer Herbolzheimer, welche ihn allein wegen der guten Erinnerungen an seinen
seligen Vater Michael erleben wollten. Dann folgte ein Besuch des jüdischen
Friedhofes in Eichstetten, wo er bewegt das Grab seiner Großeltern aufsuchte.
Auf dem Neunlindenturm blickte er von hoher Warte nach Eichstetten hinunter,
wo viele Generationen der väterlichen Famile seit dem 18. Jahrhundert gelebt
hatten. Mit großer Freude nahm er auf dem weiteren Weg die liebevolle Aufnahme
in Schloss Kiechlinsbergen wahr, als er dort von Familie Köllhofer-Wolfskehl
zum Kaffee geladen wurde und am gleichen Tisch saß, wie schon der jüdische
Religionsphilosoph Martin Buber, der ebenfalls schon einmal Gast war. Weitere
Besuchsstationen waren dann noch der jüdische Zentralfriedhof in Kuppenheim,
die Stadt Freiburg mit dem Schauinsland, der jüdische Friedhof in Emmendingen,
die frühere Synagoge Kippenheim und der jüdische Friedhof Schmieheim.

Ein letztes großes Anliegen war ihm noch ein Besuch des Gymnasiums, wo er mit
einer Schulklasse das Gespräch suchte und den Kindern die Frage nach seinen
Gefühlen zur alten Heimat folgendermaßen beantwortete: „Mein Denken ging
Richtung Südamerika, es war und ist aber immer noch Raum für Kenzingen dagewesen
Leo Epstein verließ am 24. Juli 1999 ein letztes Mal seine Vaterstadt; in seinen mitgefühlten
Unterlagen befand sich ein neu ausgestellter deutscher Personalausweis.

153


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2019-39/0155