Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
40. und 41. Jahrgang.2020/2021
Seite: 102
(PDF, 44 MB)
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Umgang mit belasteten Nationalsozialisten

Nach der Besetzung setzte ein, was man bald politische Säuberung' oder ,Entnazifizierung
' nannte. Selten haben die Einwohner einen ihnen verhassten Parteigenossen
verprügelt; der Autor erinnert sich nicht, in den Berichten von Lynchjustiz
Deutscher an Deutschen gelesen zu haben.

NS-Funktionsträger wurden abgesetzt oder aus dem Dienst entfernt. Lager, die
für NS-Formationen, aber auch für Gefangene errichtet worden waren, dienten
nun als Internierungslager und wurden ,KZ' genannt. Nicht alle vom NS-Regime
betriebenen KZ sind Vernichtungslager gewesen; aber die Bedingungen waren in
den meisten von ihnen so unmenschlich, dass Abertausende nicht überlebt haben
oder bald nach ihrer Befreiung gestorben sind.

Viele Chronisten deuten an, was „Parteileute", solange sie noch an der Macht
waren, ihnen zugedacht hatten. Der Pfarrer von Bombach berichtet (2. 7. 1945),
wenige Tage vor dem Ende habe ein führender Pg. gesagt: „ werden nächstens
eine ganze Anzahl Leute von hier gehängt". Ein paar Tage später habe der älteste
und brutalste Pg. dem ersten Franzosen, dem er begegnet sei, jovial die Hand auf
die Achsel gelegt mit den Worten: „ wir gut Kammer ad sind!" Der Pfarrer fährt
fort, es sei „ merkwürdig, wie manche Leute am 20. April ihre Gedächtniskraft
vollständig eingebüsst haben und fest behaupten, niemals Anhänger Hitlers gewesen
zu sein ". Am 20.04. war seit 1933 ,Führers Geburtstag' gefeiert worden.

Bemerkenswert ist, wie der Pfarrer von Waldkirch von ehedem führenden, in
Emmendingen inhaftierten Pgs spricht. „ Sie haben es aber fast alle mehr oder
weniger verdient. Schlecht geht es ihnen gerade nicht". Aus „christlicher oder
vielmehr seelsorgerlicher Gesinnung" habe er sich für Einzelne eingesetzt, ohne
viel zu erreichen. Bei einigen habe er „ dafür Undank und gemeine Verleumdung
geerntet".

Erinnerungen an den vor kurzem erst beendeten Kirchenkampf waren so selbstverständlich
, dass Einzelheiten der Berichte heute oft schwer zu deuten sind. Am
18. 6. 1945 schreibt Pfarrer Kreutler (Oberbiederbach), was er im ,Gasthaus zum
Deutschen Hof erlebt habe: „Das Kreuz Christi hatte man von Parteiseite aus
entfernt und buchstäblich in den Winkel gesteckt. Nunc iterum stat in honorel"
(Jetzt wird es wieder in Ehren gehalten). - War dieser „man" der Parteiseite ein
Mitglied der Gemeinde? Wollte er das Kreuz vor Schändung bewahren? Haben
andere es im „Winkel" gesehen und - in Erwartung besserer Zeiten - ebenfalls geachtet
? Aus mehreren Orten der Erzdiözese ist überliefert, dass SS-Männer Kreuze
mutwillig zerstört haben. - Ein ebenfalls auf den 18. 6. 1945 datierter Bericht
aus Oberwinden hält fest, dass Christen auch nach der Besetzung um Symbole
ihres Glaubens bangen mussten: Einquartierte Marokkaner haben „ in grässlicher
Art" ein Kreuz zertrümmert.

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