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allem vielleicht? - Vor zehn Tagen haben wir die Hasche in Angriff genommen;« dreißig
Gläsle gehen hinein und jetzt ist sie leer.« - »Wenn der Briefträger die Zeitung bringt, so
sieht er ebenso hilfsbedürftig aus wie Du und er sagt so schön: Vergelte Gott!« - »Du bist
die gute Martha. Wer den lieben langen Tag, treppauf, treppab wandert, dem kann es
schon öd unter dem Gilet werden. Aber die übrigen zehn Gläsle?» - »Ich will Dir was sagen;
wenn Du stichelst, so kannst Du Dir Dein Bauchweh künftig in der Apothek kurieren
lassen!«

Gibt es Zwetschgen genug, so gelten sie nichts und wenn sie teuer sind, gibt es zu wenig.
Diesmal hingen die Bäume zum Brechen voll. Einige sind im Sturm schon zusammengebrochen
, bevor die Früchte rote Bäckle kriegten. Wenn die Zwetschgen »zeitig« sind, muß
man sie »heruntermachen«; sie bekommen sonst leicht die »Verschwindsucht«. Der Vetter
Lienemann hatte es auf der Gänsmatte besorgt für Geld und gute Worte. Er meinte, es seien
an die dreißig Zentner; herein holen könne er den Haufen nicht mehr, man solle ihn
nachts bewachen, die Gegend sei dort draußen nicht ganz sauber.
Die Schwiegermutter sagte zu meinem Onkel und mir: »Mit den Zwetschgen hat man seine
liebe Not. Ihr zwei Nachtschwärmer und Eure Spezel könnten sie hüten, ich gebe Euch einen
Stollen Weissbrot und einen Krug voll Wein mit.« Wir rückten mit dem Korb in die
Kneipe, saßen dort bis das Lumpenglöckie läutete und zogen dann zu fünft hinaus auf die
Gänsmatte: wir zwei, der Struwwel, die Kaulquapp und der Xavere. Nachdem wir uns in
den duftenden Öhmdschöchle das Lager zurecht gemacht, schnarchte bald der eine um
den anderen. Aufgeweckt wurden wir, als der Nachtwächter seinen Umgang in der Oberstadt
machte;

»Höret, was ich Euch will sage,
Der Hammer hat zwölfe g3'schlage,
Zwölfe!«

Da war es um die Zeit, zu vespern. Taschenmesser hatten wir, einen Lederbecher auch, aber
keinen Propfenzieher und der Sauerwasserkrug war press verspundet, Struwwel wußte Hilfe
; er bohrte mit seinem Pfeifenräumer ein Loch durch den Kork und schob einen Stroh-
halm durch. Die Kaulquapp fing an zu saugen und sagte: »Da fehlt es am Gegendruck;
ich pfeif auf den Nektar in homöopathischen Dosen.« Der Xaver riß den Strohhalm heraus
und stieß mit der Spitze seines Ziegenhainers den Kork in den Krug hinein. Da war denn
vorerst geholfen und nachher wurde weiter geschlafen.

So ungefähr um drei Uhr rief mein Onkel: »Mich schloUcrts, ich bin nass vom Tau, ich



geh heim und leg mich in den Krattcu.« Da gingen alle fünfe heim und legten sich in die
gewohnten Nester.

In der Morgenfrühe meldete der Vetter Lienemann; »Ein Drittel der Zwetschgen ist auf
einem Wagen fortgeschafft worden, man kann die Gleise bis zum Weg verfolgen.« Die
Schwiegermutter sagt: »Ach Du mein Gott und Sankt Sepp! Ich weiß, daß der Feldhüter
einen Karren hat, aber mit dem Kerl ist bös anbändeln und wegen Beamtenbeleidigung will
ich nicht verklagt sein. So sind meine Zwetschgen gehütet worden! Es ist kein Verlass mehr
in der Welt auf seine eigenen l^utc.«

Als die Zwetschgen glücklich herein waren, wurden sie verlesen. Die schönsten und größten
stellte man auf die Dörrbretter, möglichst senkrecht, die Stiele nach oben. Ein anderer Teil
wurde für Torten und das Schleck sei reserviert. Zwetschgenkuchen gab es dann noch wochenlang
zum Selbst vertilgen und Verschenken. Alle Schränke bekrönten sich mit Batterien
von Einmachgläsern und den blau verschnörkelten Steinzeughäfen. Der Rest wanderte
in große Fässer, weil niemand Zwetschgen kaufte; es gab ja mehr als genug.
Wegen des Brennens wurde mit einem Küfer verhandelt* Fr verpflichtete sich zur Ablieferung
eines bestimmten Quam ums Zwetschgenwasser. Als es einkam, mußte es Onkel Karl
begutachten. »Du«, sagte er zu seiner Schwester, »Du hast schon besseres verzapft; es hat
ein Beigcschmäcklc; es riecht verdächtig nach Trebens Die Küfer sind alle nicht koscher.

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