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Ueber die Unsterblichkeit der Seele.
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Herbart's: „Der Begriff des Seins bedeute' die absolute
Position. Wird das Sein von irgend Etwas bejaht, so wird
damit ausgesagt, das Seiende bedürfe keinen anderen Stützpunkt
, der es trage, weder in einem Denkenden, noch in
einem andern Seienden, sondern es stehe an sich selbst
fest..... Wie viel sei, bleibt durch den Begriff des
Seienden ganz unbestimmt .... Das Gegebene ist nicht
das absolut Seiende, sondern bloss Schein. Aber der Schein
deutet hin auf das Sein; denn wäre nichts, so könnte auch
nichts scheinen. Soll also der gegebene Schein erklärt
werden, so kann das nur aus dem absolut Seienden (dem
vielen Seienden) erklärt werden."*) Antip:mtheistischer
kann nun allerdings eine Lehre nicht sein, als die Herbarts,
und ihres Gleichen oder doch Verwandten findet sie schwerlich
, ausser in der Lehre des Anaxagoras. Aber die Frage
ist, ob sie den Bogen nicht überspannt, da sie den Pantheismus
nur durch den Dualismus vermeidet; insofern
durch einen wenigstens auf den ersten Blick seltsamsten
Dualismus, als sie nicht etwa zwei Absolut-Seiende als erkannte
sich gegenüberstellt, sondern einen geglaubten persönlichen
Gott und eine angeblich erkannte Vielheit dem
Sein nach absoluter Wesen, die durchaus endlich, weil
qualitativ begrenzt, beschränkt sind und deren Zahl gar
nicht angegeben werden kann. So ist nun freilich der
Spinozismus beseitigt, dafür zieht aber eine Welt dem Sein
nach absoluter Wesenheiten (Realen) ein, die als ursprüngliche
Götter, ihrer Qualität nach, deren jede, wiewohl unerkennbar
, doch glücklicherweise verschieden ist, endlich
sind, d. h. eingeschränkt (nicht etwa vergänglich) und
welche erst der geglaubte persönliche Gott als Weltbaumeister
zu einem vernünftigen, zweckvollen Ganzen gestaltet.
Alles nach nothwendig determinirenden Gesetzen. Denn
der Determinismus ist hier so streng festgehalten, als nur
immer im Spinozismus. Lotze dagegen ist, gleichfalls auf mona-
dologischer Grundlage, von Herbart nicht befriedigt und erklärt
: ,,Fühlen wir uns, von der Erfahrung ausgehend, durch
den Zusammenhang der Wissenschaft gezwuugen, die Stetigkeit
solcher Entwicklungen (wie früher besprochen) bis zu den
äussersten Anfängen der Welt zurückzuverfolgen, so dürfen
wir nicht besorgen, zu einer Auffassung nothwendig gedrängt
zu werden, welche die Abhängigkeit der Welt von
Gott ausschlösse. Wir langen imGegentheil bei derselben
Endvorstellung an, mit welcher der Glaube an eine göttliche
Schöpfung, wenn er seine eigne Absicht versteht, uns
*) Thilo,- 366—368.
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