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Dankmar: Präliminarien zu einer Theorie der Spukerscheinungen. 283
enden, die Stufenleiter sämmtlieher occulter Vorgänge durcheilend
, bei spontanen Materialisationen: — den Geistererscheinungen
. Worin bestehen Spukvorgänge? Im
Verschiedensten, Entgegengesetztesten: — im Klopfen,
Klöpfeln, Pochen, in donnernden, Alles vernichten wollenden
Schlägen; im leisen Ticken der Todtenuhr und im Brausen
der Gespensterschlacht; im Schlürfen, Laufen, Rollen, Werfen;
Zerschmettern von Gegenständen, Verbrennen von Gegenständen
; in symbolischen Warnungen, zwecklosen, entsetzlichen
Neckereien; hier erscheint blos eine harmlose Flamme,
dort werden Häuser eingeäschert; hier werden Puppen
geformt, dort Pferde losgekettet; hier werden vollkommen
menschenähnliche Gestalten gesehen, dort wallende, dunstartige
Nebel; hier berühren Einen leise, eiskalte Finger,
dort reissen Einem kräftige Hände die Kleider vom
Leib; es erscheinen Rosse, Bären, Schlangen, Scorpionen,
Ratten, Fledermäuse, Bären, Elephanten, Fabelungeheuer,
— Gestalt in Gestalt verrinnend. Klagendes Seufzen,
Zischen, hohles, oder gellendes Lachen, Pfeifen, Heulen,
Kichern, Johlen, Jauchzen, Brüllen, Bass und Hochtöne,
Musikakkorde, schmetternder Trommelwirbel, leises Niederfallen
von Wassertropfen und Kanonenschüsse — AIP das ist
Spuk! Die Phänomenologie des Spuks umfasst also das denkbar
mannigfaltigste Thatsachengebiet. Gemeinschaftlich ist
allen Vorkommnissen etwas Gesetzloses, Willkürliches, Unberechenbares
, das allen bekannten Naturgesetzen Hohn spricht
und sich schwer in ein System bringen lässt. Wohl kommt
es vor, dass der Zweck einer Spukerscheinung ersichtlich
ist: er wollte warnen, verkündet nahende Gefahr, den Tod
und verschwindet oft mit dem Hinwegschaffen bestimmter
Gegenstände; oft und oft aber ist gar kein vernünftiger
Zweck erkennbar. Etwas Launenhaftes, nicht zu Ergründendes
herrscht vor, dessen einzige Absicht: — Erschrecken,
Beunruhigen, Beschädigen am Eigenthum, ja selbst an
Gesundheit und Leben zu sein scheint.
Der Forscher findet in allen Jahrtausenden Zeugnisse
für spukhafte Thatsachen, die meist so grobsinnlich sind,
dass deren Konstatirung die einfachste ist; es muss ihnen
etwas Gemeinschaftliches zu Grunde liegen und ein wahrer
Kern zugesprochen werden. Auch Schopenhauer1') ist der
Ansicht, dass der Charakter aller derartigen Erscheinungen
in allen Jahrtausenden ein und derselbe ist; es ergebe
sich eine — „vollkommene Aehnlichkeit in dem
ganz eigenthümlichen Hergang und der Beschaffenheit der
*) A. Schopenhauer: — „Parerga und Paralipomena." I, 314.
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