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Literaturbericht
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einander gewirbelt wird und schließlich zur Erde
niedersinkt. Bei einem Experiment im Freien in
Liverpool erreichte man nun mit einem dieser elektrischen
Masten eine Klärung der Atmosphäre in einem Umkreis
von über 20 Meter Durchmesser. Für den Eisenbahn-
und Schiffsverkehr sollen die außerordentlichen Vorteile
dieser Art Nebelbekämpfung schon jetzt erwiesen sein.
k) Die Feinfühligkeit des tierischen Instinkts
bewährte sich wiederum glänzend bei den letzten
Erdbeben in Italien. So meldeten die Zeitungen aus Rom,
13. Jan.: Hier traf die Nachricht ein, daß heute früh eine
Erdbeben welle ganz Nord-Italien von Venedig bis
Genua und südlich bis Florenz heimsuchte. Das Städtchen
Moliano hat schwer gelitten. Der erste Stoß wurde besonders
lebhaft im Volksquartier von Florenz verspürt.
Die Bevölkerung stürzte schreiend auf die Straßen. Die
Behörden entsandten zur Aufrechterhaltun^ der Ordnung
Patrouillen durch die Stadt. Das Zentrum des Bebens
liegt bei Padua. In Florenz trat um 12 Uhr nach einem
schönen Tag plötzlich Regen ein. Ein eigentümliches
Röten des Himmels bis nach Sonnenuntergang zeigte sich.
Um 2 Uhr früh schlichen tausende von Katzen miauend
an den Häusermauern entlang; dies Phänomen wurde 1905
auch in Calabrien beobachtet.
Literaturb er icht.
Nachstehend besprochene Werke sind zu Originaipreisen durch die Buchhandlung
Oswald Mutze, Leipzig, Liadenstraße 4, zu beziehen.
Bücherbesprechung.
Kant's Ethik. Von Dr. R. Strecker, Bad Nauheim. Verlag von
Emil Ko'h in Gießen 190y. 99 S. Klein 8". Preis M. 1 20.
Der Verf stellt sich in Gegensatz zu Kant. Das Gefühl für
das Menschheitliche in uns sei der heimliche Richter unseres Tuns,
die Idee der Menschheit die höchste Autorität, der oberste Zweck
die Kulturförderung der. Menschheit, die die Stufenfolge aller andern
Zwecke, Selbstvervollkommnung, Familienglück und Vaterlandsliebe
kröne. In dem Worte „Kultur* liege der ganze erhabene göttliche
Beruf des Menschengeschlechts usw. — Man sieht, es handelt sich
hier um die jetzt zur Mode gewordene „menschenfreundliche* Ethik
der Evolutionisten. Wird hierbei nicht das gesamte Geistesleben
zur Nebensache herabgedrückt? Werden nicht dadurch Religion
und Moral, Recht, Wissenschaft und Kunst bloße Einrichtungen zum
Nutzen der Gesellschaft? Wird das Scheinwesen nicht dadurch gefördert
? Und würden wohl alle berufenen Vertreter eines Volkes
einmütig bestimmen können, was denn die wahre erstrebenswerte Kultur
sei ? Es käme doch nur im günstigsten Falle ein Durchschnitt der
Meinungen und Strebungen heraus, ein schematisches und schablonenhaftes
Leben, und für alles Individuelle und Charakteristische bliebe
kein Raum. — Trotzdem verdient das Schriftchen gelesen zu werden.
Es fordert zum Nachdenken und Prüfen auf. Wienhold.
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