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186 Psychische Studien. XLVII. Jahrg. 4 Heft. (April 1920.)
seinem Tode? Soll er etwa nach seinem Diesseitsleben auch der
Freuden des verheißenen Paradieses teilhaftig werden? Über die
Bibel herrscht bis heute — Streit! Christus ist eines der
schwierigsten Probleme. Der Apostel Paulus muß zwar wohl auf
dem Weg nach Damaskus ein besonderes Erlebnis gehabt haben
(vergleiche die neutestamentlichen Stellen!), aber was beweist das
für die Göttlichkeit des „Menschensohnes" — und wie schwer ist
nicht dieses Erlebnis zu deuten! Da stehen wir gleich vor den
schwierigsten Fragen. So hat der gebildete Laie von heutzutage
— ebenso wie der Forscher — verwirrt durch die Fülle der Lehren
und „Systeme" einen nicht eben sehr leichten Sund! Was soll
er glauben? Der Gescheiteste und Gelehrteste ist aber vielleicht
so klug wie der Einfachste! Darum vor allem: im gegenseitigen
Verkehr Duldung! Das ist eine einfache Wahrheil, die man
doch immer wieder mahnend in die Erinnerung rufen muß. —
W a r u m gl a u b e i c h an den Spiritismus?
Wie wurde ich Spiritist? Ein Gemütsbedürfnis trieb
mich an, gegenüber dem Unglauben mich mit den Schriften von
Du Prel „Das Rätsel des Menschen** und „Der Spiritismus" bekannt
zu machen. Dazu kamen gewisse persönliche Erfahrungen, nach
denen ich bei mir selbst eine leichte sensitive Anlage (Fernempfinden
, Fernschauen) feststellen zu können glaubte. So beschäftigte
ich mich denn Jahre lang mit dem Spiritismus.
Ein besonderer Gegenstand meines Studiums wurden die
Fähigkeiten des bekannten Gothenburger Mediums Elisabeth
d'Esperance. Ich habe in früheren Artikeln in kurz zusammen-
fassender Weise die wesentlichen Erscheinungen bei diesem hervorragenden
Materialisationsmedium kurz zusammenzufassen gesucht.
Wie erkläre ich nun diese Phänomene?
Wie oft habe ich mit Goethes „Faust" geklagt*
„Denn eben ach, wo uns Begriffe fehlen.
Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.**
Alfred Ruisel Wallace, der berühmte Gelehrte und Spiritist,
war so bescheiden, in einem Prozeß, in welchem er als Zeuge vernommen
wurde, auf eine Frage des Richters zu antworten, er wisse
nicht, was ein „Medium** sei. Wer die Selbstbiographie der
Elisabeth d'Esperance „Im Reich der Schatten** gelesen hat, der
sieht, wie diese Frau sich abmüht, den sie umgebenden Rätseln
eine Deutung zu leihen! Sie ist der Meinung, daß im wesentlichen
eigentlich der ganze Zirkel das Medium bilde — freilich o h n e ihr
Zugegensein kommen eben die seltsamen Vorgänge nicht zustande.
Also wird man doch das Recht haben, nach wie vor, auch in anderen
Fällen wie Husk, Paladino, Salmon u. a. m., von Medien
zu sprechen. Es ist eine glückliche Bezeichnung.
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