Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
47. Jahrgang.1920
Seite: 469
(PDF, 183 MB)
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v. Reehenberg-Linten: Geist und Welt. 469

Stellungen zu dem Begriff des Dinges an sich. Es ist dies die
letzte Ausprägung des Gedankens, daß hinter der Erscheinungswelt
, wie wir sie wahrnehmen, etwas uns Unerreichbares, Unerfaßbares
stehe — das Wesenhafte der Erscheinung. Dieses
Wesenhafte der Erscheinung nennt er also „Das Ding an sich".
Schopenhauer lehrt, daß das allem Existierenden zugrunde liegende
der Wille sei. Da wir nun diesen Willen als solchen
in uns unmittlbar wahrnehmen, so hätten wir hier den unmittelbaren
Einblick in das Kantische „Ding an sich". Denn
der Wille und das Ding an sich seien in Wirklichkeit identisch.

Aber das Ding an sich ist eine auf erkenntnistheoretischer
Spekulation aufgebaute philosophische Schlußfolgerung. Der
Wille Schopenhauers freilich eine unmittelbare Erfassung einer
in uns gelegenen geistigen Tatsache; aber ihre Ausdehnung als
metaphysische Grundlage auf die gesamte Welt ist eine philosophische
These, keine Tatsache.

Kant geht logisch-spekulativ, Schopenhauer intuitiv-spekulativ
vor. Beide bleiben daher in der spekulativen Metaphysik
stehen, um nicht zu sagen stecken. Das Rätsel unseres Daseins
, das Wesen der Welt haben sie nicht gelöst. Kant nicht,
weil das Ding an sich, seiner eigenen Lehre nach, nicht für uns
erfaßbar ist — also auch unsere Verstandesbedürfnisse nur formal
, nicht inhaltlich befriedigen kann. Schopenhauer nicht, wTeil
sein Wille wohl unmittelbar in uns selbst erfaßbar ist, aber
formal nicht auf die übrige Erscheinungswelt genügend nach-
gewiesen werden kann.

Dieses kommt daher, daß beide offenbar nach den letzten
Gründen (Ursachen) der Welt forschten. Kant fragte, was
liegt der Erscheinungswelt zugrunde? War nicht die Erscheinungswelt
bloß das äußere Abbild? Er wollte also entdecken,
was hinter ihr, als der sie bewirkenden liegt. Und er gelangte
zum Ding an sich. Dieses Ding an sich ist schon für uns eine
metaphysische Verborgenheit. Wenn es nur erlaubt wäre zu
fragen, was denn hinter dem Ding an sich gelegen sein könnte
oder — sogar müßte?! Denn theoretisch brauchen wir auf die-
dem Wege nicht Halt zu machen. Schopenhauer dagegen erfaßt
das „Ding an sich" unmittelbar — vielleicht mit Recht, als Wille.
Aber auch bei ihm schwebt dieser Wille sozusagen in der Luft —
metaphysisch genommen. Denn auch hier taucht unwillkürlich
die Frage aut was denn hinter diesem Willen läge, oder wodurch
er denn hervorgerufen sein könnte? Denn einen Grund
oder eine Ursache müßte er doch haben.

Und so sahen wir, daß beiden Lehren letzten Endes Mängel
anhaften und sie nicht den nach Aufklärung und restloser Aufdeckung
der Wahrheit verlangenden Geist befriedigen.

(Fortsetzung folgt.)


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