Freiburger historische Bestände - digital

484 Psychische Studien. LH. Jahrgang. 8. Heft. (August 1925.)

Schaft deutet auf Verknüpfung von Begriffen, die von einem scharfen
Denken, bei reinlicher Erfassung der Strukturunterschiede, scharfe
Trennung verlangen.

Jeder Zweckverband ist mehr oder weniger von außen bestimmt
und lebt von Außenschau. Der auf Gesinnungsgemeinschaft gegründete
Bund dagegen quillt von innen und lebt demgemäß von der Innenschau
. Zweckverbände gehören dem äußeren Menschen an, Liebesverbände
in ihren mannigfaltigen Formen dem inneren Menschen.

Schon das einfachste Erlebnis der Freundschaft ist verstandesmäßig
so wenig restlos ausschöpf bar und ,,beweisbar" wie das Werterlebnis
eines Kunstwerkes. Wenigstens dort, wo Freundschaft ihres
Namens wert ist und eine aus gemeinsamer Grundgesinnung quellende,
nicht aus Nützlichkeit und Erwägung entspringende Wechselwirkung
darstellt.

Je tiefer und inniger die wechselseitige Durchströmung in den
Lebensformen der Freundschaft und Liebe sich vollzieht, um so mehr
wächst der Anteil des mystischen Prinzips an ihnen. Einen Höhepunkt
bedeutet es, wenn die Gemeinschaft der tiefsten Lebensmittelpunkte
gleichsam auf den Mittelpunkt oder die Einheit des gesamten Seins
bezogen wird, so daß das Herauswachsen der Gemeinschaft aus dem
tiefsten Quellbereich des eigenen Wesens wie des Urwesens der Wirklichkeit
, dem Ewigen — der Gottheit in alter religiöser Sprache —
erlebt wird.

Darum ist auch das Erlebnis der Volksgemeinschaft in seinem
tiefsten Grunde nur dem mystischen Menschen zugänglich, der den
Sinn für das Geheimnis nicht einbüßte und jenseits der sichtbaren,
verstandesmäßig faßbaren Beziehungen zu den Volksgenossen ihr Verwurzeltsein
in dem gemeinsamen geschichtlichen Erdreich als seine —
im reinsten Wortsinne nationale, darum nicht notwendig nationalistische
Gesinnung in sich trägt. Die Begegnung mit einem unbekannten
Landsmanne in der Fremde, der sofortige eigentümliche Kontakt, den
• die Laute der Muttersprache herstellen, zu schweigen von der im Tiefsten
verbundenen Macht heimatlicher Klänge —, dies alles sind Zeugen
für die Wirksamkeit eines mystischen Prinzips.

Wie die christlichen Urkunden von dem ,,mystischen Körper"
reden, dessen Haupt Christus, dessen Glieder die Gläubigen sind, so
kann man innerhalb jeder echten Gemeinschaft von einem corpus
mysticum sociale sprechen. Dieser Sachverhalt findet einen schönen
Ausdruck überall dort, wo etwa über die Blutgemeinschaft des Elternhauses
hinaus der Bruder- und Schwesternname zum symbolischen Hin-
weis auf letzte Gesinnungsgemeinschaft wird, welche zugleich zu einem
besonderen Grad der Verpflichtung zu gegenseitigem Beistand auferlegt
und in den echtesten Fällen der Bewährung an Zuverlässigkeit
alle Zweckverbände um vieles übertrifft.

Die mystische Gemeinschaft liebender Menschen hat ihre Fruchtbarkeit
in dem Schaffen großer Künstler bezeugt, deren kultureller
Umkreis vielfache Beziehungen zur Mystik aufweist. Und zwar gilt