Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
75.1957
Seite: 35
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sieht und jene Treuhänder des Gemüts, die in jenem hinter Gärten gelegenen
Bau an der Hauptstraße in seiner Seele ein Alibi ausloten, falls die Steuer ihm
peinliche Andeutungen macht oder in Tagen politischer Rückgratserweichung
der Aufenthalt erster Klasse in einem Krankenhaus einer Schutzhaft vorzuziehen
ist.

Die Mediziner sind überhaupt Männer, die ins öffentliche Leben passen.
Die lassen was springen. Sitzen im Theater ihre Miete ab wie die Geschäftsleute
. Fragen im Feinkostgeschäft nicht gleich nach dem Preis, geben dem
Baugewerbe was zu verdienen, wenn sie sich an der Sonnhalde niederlassen,
ziehen Fremde an, die was liegen lassen und Studenten aus aller Welt, sogar
Negerkönige von der Goldküste, die hier ihren Adel ausbilden lassen. In Ordnung
.

Die Namen Kraske. Lexer. Kilian. Tannhauser. Opitz. Manz. Noeggerath.
Krönig. Pankow und andere sind ihm vertraut, als hätte er bei ihnen promoviert
. Mit Krauß und Pleilmeyer glaubt man ihn - - seinen Sprüchen nach -
sogut wie auf Du. Folgen im platonischen Ansehen die Philosophen, deren
Weltpublizität in dem Maße sich ausweitet wie die Möglichkeit sie zu verstehen
sich verengt. Gib dir keine Mühe, sagt er sich: wenn es bis zum Jahr
2000 in der Welt noch keine fünf Köpfe geben wird, die Husserl kapieren, ist
es für dich keine Schande, auch nichts vom Heidegger seiner Philosophie zu
verstehen, seinem Nachfolger.

Ein Professor, ganz nach dem Geschmack der Freibnrger, war der alte
Gruber, der Zoologe, der gleichzeitig im Stadtrat und in der Theaterkommission
saß. Da er einer Dynastie angehörte, deren Chef August Weismann, das Keimplasma
war, der auch Wiedersheim angehörte, der Zoologe, mit Großherzogs so
vertraut, daß er mit der Hilda fast Mittagsschläfchen auf dem gleichen Sofa
machte, war ihm die Wissenschaft weitgehend zugunsten seiner gesellschaftlichen
Verpflichtungen abgenommen. Er hielt zu Herzen gehende Reden, frisch,
wie improvisiert. Obwohl er, was einer seiner Söhne uns Gymnasiasten verriet
, abends reichlich Kartoffelsalat zu sich nahm, um in schlaflosen Nächten
der Inspiration den Einfiug zu erleichtern. Kinder sproßten — ohne Kartoffelsalat
- - hinter ihm auf wie Morcheln im Wald nach schwülen Nächten.

Nach seinen ihm nachgetuschelten Donjuanaden mit Künstlerinnen befragt,
antwortete der Genueser Kaufmannssohn lächelnd: „wenn's nur so war, aber
bis jetzt hab ich nur von einere einen Kuß kriegt, des war die Frau von Maurer,
wo ich ihr zum 40. Bühnenjubiläum hab gratuliere müsse!" Er konnte reimen
wie der Karpfen schwimmt. Aber eben wie der Karpfen. Erschien er vor dem
Theater, flatterten die Balletteusen an wie die Tauben auf San Marco, und
wenn er auch nicht die Goldstücke wie die Maiskörner unter sie streute, war
doch da und dort ein schnäbelndes Täubchen, dem er zum Aufputzen seines
Gefieders verhalf.

In dem Maße wie Gruber die Welt in Rosa sah, vertrübte sie sich für den
jedermann vertrauten Freiburger Theologen Engelbert Krebs, der als Mitglied
einer rechtsstehenden Partei dem B ärgerausschuß angehörte, aber in Tagen
der nationalen Erregung dennoch den Schafen zur Linken zugeschieden wurde.
In seiner geistigen Sils-Maria-Einsamkeit, die er gelegentlich durchbrach, um
mit seinem Schulfreund, dem Porträtzeichner europäischen Formats, Rudolf
Grossmann, ein Glas Wein zu trinken, antworteten seine schmalen Erasmuslippen
einmal auf die Frage, ob er glaube, daß es im Himmel auch Universitätsprofessoren
gebe, mit dem lapidaren Satz des Kleinen Katechismus: „bei Gott

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