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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
75.1957
Seite: 182
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von der Bruderschaftsorclnung befreit wird. Eine Tätigkeit Freiburger Kristall-
Hohlwerker im 15. Jahrhundert ist sehr wahrscheinlich, doch bleibt sie vorerst
noch unbewiesen.

Trotzdem muß das Beispiel der Gruppe sogenannter Doppelscheuer angeführt
werden, weil gerade die Besonderheiten ihres Kristallschliffs die
Grundlagen bilden für den des 16. und 17. Jahrhunderts in Freiburg.

„Der Cristallenn kopff Silber gefaßt, kunstlich vnd wol geschmeltzt" aus
der Mainzer Reliquiensammlung des Kardinals Albrecht von Brandenburg im
Halleschen Heiltum (Abb. 10)50 hat eine neue Form des Kristallschliffs: die
Bienenwabenfacettierung des Deckels. Die farbige Wirkung des dunkelblauen
Schmelzgrundes mit weiß und gold emaillierter figürlicher und ornamentaler
Zeichnung steht im Gegensatz zum klaren durchsichtigen Kristallkörper in
seiner scharfen Facettierung. Seine flandrisch-burgundische Herkunft steht
fest51. Auf Kristallwerken in burgundischer Fassung begegnet diese neue Art
des Schliffs zunächst. Die Kristalle des Doppelkopfes im Domschatz zu Gran52,
dessen Entstehung in den gleichen Kunstkreis weist, sind von eben demselben
Schliff. Die Doppelscheuer von Baden-Baden (Abb. II)53 setzt die
Bienenwabenfacettierung des gezeichneten Bechers und des Graner Werkes
fort. Wenn dieses Werk, als Schenkung Kaiser Friedrich III. an Johann von
Staab (1487) geltend, erwiesen Freiburger Herkunft wäre, würde sich die
Orientierung der Freiburger Kristallpokal-Meister des 16. Jahrhunderts nach
der burgundischen Tradition durch dieses Zwischenglied des späten 15. Jahrhunderts
wesentlich verdichten: denn außer der Bienenwabenfacettierung
treten auf dem Hauptkristall noch zwei Reihen von eingemugelten Näpfchen
auf, und diese technische Neuerung ist nachgewiesen wieder burgundischer
Flerkunft54. Sie begegnet auch auf einem burgundischen Pokal im Musee des
Beaux-Arts in Tyon (in Renaissancefassung) (Abb. 12)55, der trotz der bloßen
Dreiteiligkeit wie ein Vorbild für unsere Pokale um 1600 wirkt. Entgegen
den vorgeführten Doppelscheuern sind beim Baden-Badener Stück auch Fuß
und Schaft aus Kristall. In der Zusammenfügung einzelner Kristalle ist das
Werk also vorbildlich für die Freiburger Pokale der späteren Zeit50.

Dies Gefäß ist nicht etwa - - wie man vermuten könnte - - identifizierbar
mit einem der vielen in den Kunstinventaren der Markgrafen von Baden-
Baden registrierten Preziosen. Vielleicht, daß die Vereinfachung der Form,
die künstlerische Anspruchslosigkeit bei hoher handwerklicher Vollendung
für einen Abstand von Burgund und für die Mittlerschaft des Baden-Badener

50 Halm-Berliner, Das Hallesclie Heiltum, Berlin 1931, fol. 352.

51 Heinrich Kohlhaussen, Niederländisch Schmelzwerk, Jahrbuch der Preufi. Kunstsammlungen 52, 1931,
S. 155 ff.

52 Kohlhaussen a. a. O. Abb. 10.

53 Marc Rosenbcrg. Alte kunstgewerbliche Arbeiten auf der Badischen Kunst- und Kunstgewerbe-Ausstellung
zu Karlsruhe 1881, Ffm. 1882. — Pazaurek a. a. O. S. 192.

5i Pazaurek a. a. O. S. 191 f.

55 L'art pour tous 1906, Tafel 52, Pazaurek S. 192.

56 Wie eine Vereinfachung des Halleschen wirkt der Bergkristal 1-Doppelbechcr im Säckinger Münsterschatz
, dessen Blumenmusteremail der Henkelfläche auf jene kostbare farbige Schmelzbeliandlung der
burgundischen Gefäße von fernher erinnert.

Kehn. Baden III, Freiburg 1892, S. 53.

H. Leo, Die geschnitzten Bildwerke in der Stiftskirche zu Säckingen, Schauinsland 14, 1887, S. 38 f.
Mittelalterliche Goldschmiedekünst a. a. O. Nr. 60.

Über den Typus der Doppelscheuer Pazaurek a. a. O. S. 187 ff., ferner im RDK Stichwort Bergkristall
VI c, Sp. 289 ff.

Als Parallele zum Baden-Badener und Säckinger Doppclbccher sei die Scheuer in Nürnberger Fassung
um 1470 im Kunsthistorischen Museum in Wien erwähnt. Abb. R3 Bd. III, Tafel 69. Jener Doppelkopf des
Halleschen Heiltums wirkt wie das Vorbild auch des Nürnberger Werkes. Der farbigen Erscheinung des
Pokals vom Heiltum wird in der kostbaren plastischen Goldschmiedearbeit etwas Gleichwertiges entgegengesetzt
. Die Bienenwabenfacettierung kennt das Nürnberger Werk nicht.

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