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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
75.1957
Seite: 196
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Facetten geschliffenen Körper ist das Szenische eingeschnitten. Nun begegnet
man hier ähnlichen Blütenzweigen wie auf Fuß und Deckel des Stuttgarter
Pokals. Auch die Tatsache, daß ein Steinschnitt auf Facettenschliff angebracht
wird, läßt beides verbinden. Die Qualität des Steinschnitts würde zu dem passen
, was von der Stuttgarter gesagt wurde: im Vergleich mit den großen Werken
der italienischen oder Prager Steinschneider ein schlichtes, anspruchsloses
Nebeneinandersetzen des Bildlichen und Ornamentalen, ohne jene technische
und künstlerische Vollendung, deren die Mailänder und Prager fähig waren.
Die Fassung ist Silber, vergoldet und teils emailliert. Den eingezogenen Fuß,
den Zylinder- und Deckelrand umgibt je ein mit Granaten besetzter Ring,
der Deckelhenkel faßt gleichfalls Granaten ein. Granaten aber waren für
die Freiburger Schleifereien noch viel bezeichnender als Bergkristall. Schließlich
erinnert die Art des auf dem Deckel umlaufenden Palmettenringes an
die entsprechenden Schmuckformen der Kristallpokale. Aber diese Kriterien
genügen noch nicht für eine Inanspruchnahme des Werkes für Freiburg. Auch
so — und so wahrscheinlicher als bei jener Kanne mit Becken - - wird man
sich Freiburger Kristallschnitt nach „mailändischer Art gemacht" vorstellen
dürfen, indem „mailandisch" ganz einfach ornamentaler und bildlicher Steinschnitt
heißt, ohne die Tradition des Facettenschliffs und die Wirkung von
Kristall mit goldener und farbiger Fassung aufgegeben zu haben.

Schließlich ist jener faßförmig in Facetten geschliffene Deckelbecher zu
nennen (Abb. 21)78. Hier wird die Bienenwabenfacettierung, wie sie in der
Gotik ausgeprägt wurde, kunstreich fortgeführt. Diese Vierecke mit diagonalem
Kantenschliff waren bezeichnend für die Leuchter des Freibnrger
Münsterschatzes und vor allem für das höchst kunstvolle Gebilde des großen
Kristallsockels vom Altarkreuz der Witwe Mösch. Nicht im Steinschnitt verzierte
Flächen komplizierter Gefäße, sondern in der Schlifftechnik aus
geometrischen, prismatischen Formen Zusammengesetztes war ein Kennzeichen
der Freiburger Kristallschleifer. Dies Werk schafft, die neuen technischen
Erkenntnisse der berühmten Kristallschulen sich zunutze machend, mit
überkommenem Formengut etwas ganz Neues, Ungotisches, etwas den Schöpfungen
der Mailänder Entgegengesetztes, doch vielleicht Gleichwertiges. Eine
verwandte Musterung der Kristallwand vom Geometrischen her gibt es zu
der Zeit auch in der Prager Hofwerkstatt79, aber dort weist die Einteilung
der Wand in Rautenfelder schon eindeutig auf das Vorbild der Glaskunst
hin; bei unserem Werk wird man auf diesen neuen Einfluß der Glasbläsereien,
also auf ein Übertragen der Glastechnik auf Kristall, noch nicht denken. Denn
zu eindeutig ist dieses Muster aus dem Kristallmaterial selbst entstanden.

* * *

Dies ist alles, was wir bisher über den Freiburger Kristallschliff sagen
können. Jetzt erst müßte man beginnen, in ehemaligen Kunstkammern und
heutigen Museen Kristallwerke zu suchen, die nach dem hier Gezeichneten
Freiburger Herkunft sein könnten, wobei in sehr vielen Fällen eine Reihe
anderer Möglichkeiten bestehen bleibt. Weitaus das meiste aber, was in Freiburger
Werkstätten geschliffen wurde, was die wirtschaftliche Bedeutung der

78 Schatzkammer a. a. O. Nr. 17.
t9 Kris a. a. O. Nr. 657, Tafel 199.

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