Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
75.1957
Seite: 215
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Zeugnis von einem strengen Kunstwillen ab, der schon 1912 auch das scheinbar
Nebensächliche wichtig nahm, wenn es zum Gesamteindruck beitragen sollte.
Zu diesem Gesamteindruck gehörten weiter schon 1912 die Dekorationen. Wenn
jene Geister in „Kasperl wird reich" singen:

Hätten wir nur einmal Ruh'!
Barfuß fliegen ohne Schuh,
Ach, wie friert uns an den Füßen!
Schnell nur hinter die Kulissen!

— so war das eine unüberhörbare Regieanweisung, für die der alte Rampenkasperl
freilich keine Möglichkeiten bot. So sah Freiburg zum erstenmal im
Handpuppentheater in putzige Kleinleutestuben aus der Biedermeierzeit, wo
selbst die Petroleumlampe und die tickende Uhr an der Wand nicht fehlte,
in winklige Gassen mit windschiefen Häusern, in fahlgrün beleuchtete Hexenwälder
und auf palmengeschmückte grelle Inselszenerien . . . Jedes Szenenbild
war dabei fertig montiert vorhanden und brauchte beim Bildwechsel nur auf
Schienen auf die Bühne geschoben zu werden („was uns fehlt, is eigentli nur
noch a Drehbühn'", meinte der Kasperl schon 1912 einmal). Die Beleuchtung
erfolgte durch Gaslicht, dem verschieden gefärbte Scheiben vorgeschoben
wurden; später war sie dann elektrisch. Schließlich aber füllte diese ganze
Welt ein Spiel, das in Dialog und Polylog eine bedeutende Sprechkultur und
vor allem in der Puppenführung eine bis ins kleinste ausgearbeitete Technik
und Überlegtheit zeigte. Schlick hat damit damals wie auch später das bis
dahin für die Handpuppe für möglich Gehaltene außerordentlich gesteigert.
Das war nicht mehr ein bloßes Hin und Her zappelnder Gestalten, sondern
eine ganz bewußt organisierte Gestik, die ebenso über weitausholende wie
über ganz minutiöse Bewegungen gebot und gerade im Pianissimo der letzteren
entzückte. Schon damals zeigte sich auch im Spiel der Schückschen
Figuren seine Fähigkeit, Bewegungen auszusparen und das Zusammenspiel
der Puppen aus der üblichen gleichbleibend-starken Akzentuierung herauszulösen
und rhythmisch zu variieren. Die ökonomische Art schließlich, in der
die Improvisation im Spiel angewendet wurde, ist für all das besonders aufschlußreich
. Wie wichtig sie für das traditionelle Handpuppenspiel vor Schuck
war, ergibt sich aus der Spärlichkeit der erhaltenen Spieltexte; tatsächlich war
deren Handlung und damit ihr Dialog viel weniger entscheidend als das, was
der Puppenspieler im steten Kontakt mit seinem Publikum von einem Augenblick
zum anderen aus jenen zu machen wußte. Ein Könner vermochte unter
diesen Bedingungen allerdings ein commedia dell'arte-artiges Spiel hervorzuzaubern
, aber solche Könner waren immer selten. Schück nun hielt sich, wie
seine ursprünglich dem Marionettentheater zugehörigen Texte es nahelegten,
zunächst immer streng an die schriftlich festgelegte Vorlage. Seine Mitarbeiter
wußten schon 1912 ein Lied davon zu singen, wie der „Meister" noch nach
Dutzenden von Proben mit einzelnen Nuancen nicht zufrieden war, und wie
er immer mehr konzentrierte und ausfeilte, bis ein Stück seinen Ansprüchen
gemäß schien. Die Einheitlichkeit seiner Aufführungen, bei denen jeder
Spieler seinen Text auswendig können mußte, hing mit diesem Abrücken von
aller Willkür zusammen, die zu den kleinen Dramen, die hier aufgeführt
wurden, ja auch nicht gepaßt hätte. Der aufblitzende improvisierte Einfall,
der dennoch nicht fehlte und Schücks Handpuppentheater trotz aller Kultiviertheit
Ursprünglichkeit und echte Publikumsnähe verbürgte, blieb allein

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