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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1958/0118
heit mit dem Publikum und der Öffentlichkeit nicht leicht. Hinzu kam, daß
Struve keineswegs der wilde Mann war, wie ihn das Gerücht sich malte. Er
machte durch würdige Haltung einen guten Eindruck und war von ungebrochener
intellektueller Wachheit und furchtloser demagogischer Beredsamkeit.
Von Lorenz Brentano, dem 1812 geborenen Mannheimer Advokaten, badischen
Landtagsabgeordneten und Mitglied des Paulsparlaments, wurden die Angeklagten
ebenso gewandt und volltönend verteidigt. Die Geschworenen bejahten
nur sieben von 26 auf Struve und Blind verteilten Schuldfragen. So
kamen Struve und Blind mit acht Jahren Zuchthaus davon, was gleich genau
in fünf Jahre, vier Monate Einzelhaft umgerechnet wurde, weil „in Betracht
der §§7 und 8 des Gesetzes über das neue Männerzuchthaus (in Bruchsal)
zwei Monate in völliger Absonderung erstanden, für drei Monate gewöhnliches
Zuchthaus gelten".

Natürlich erhoben sie Nichtigkeitsbeschwerde, wurden aber über Rastatt
ins Bruchsaler Zuchthaus überführt, das wegen seiner aus Amerika importierten
, übersichtlichen Zellenbauweise damals im Volk das pennsylvanische Gefängnis
hieß. Aber auch da ging der trübe Stern des unwandelbaren Doktrinärs
nicht unter. Nach wenigen Wochen schon schwemmte ihn die Flut der
großen Mairevolution 1849 wieder in die Freiheit, in der gleichen Nacht (zum
14. Mai), da der Großherzog aus Karlsruhe flüchtete. Amalie Struve, deren
Prozeß einen Monat vorher, schon mit Rücksicht auf die Volksstimmung,
niedergeschlagen worden war, kam gerade recht, bei der Befreiung Struves
und Blinds in resoluter Weise mitzuhelfen. Die Revolutionäre begrüßten ihr
enfant terrible nur mit saueren Mienen, hielten Struve von maßgeblichem
Einfluß fern, ohne aber seine radikalen Umtriebe verhindern zu können. Bei
den letzten Zuckungen der diesmal nur mit großen Anstrengungen niedergeworfenen
Revolution entkam er wieder. In Basel verfaßte der unermüdliche
Schreiber noch schnell eine „Geschichte der drei Volkserhebungen in
Baden" (1849). Auch Amalie Struve schrieb ein Bändchen „Erinnerungen aus
den badischen Freiheitskämpfen" (1850). Dann wanderten beide nach Amerika
aus. Amalie ist dort gestorben. Er selbst rumorte auf seine doktrinäre Art im
amerikanischen Bürgerkrieg (1861/65) mit, brachte es bürgerlich weder zu
Ansehen noch seßhafter Stellung und kehrte nach Deutschland zurück. Auch
da konnte er nirgends mehr recht Fuß fassen und starb 1869.

Die Geschichte kann dem Revolutionär Struve keine ehrenden Kränze
fechten. Der guten Sache der Achtundvierziger mit ihrem heißen Streben
nach Einheit und Freiheit hat Struve nur Schaden getan. Im badischen Oberland
hat er durch sein verblendetes Unternehmen nur einen tollen Wirrwarr
heraufbeschworen, Unheil und Not gesät. In Staufen im besonderen ist sein
Name durch die in sinnlosem Gefecht herausgeforderten Todesopfer belastet.
Der Karikaturist der „Naturkundlichen Studien aus dem pfälzisch-badischen
Revolutionsjahr 1849" hat in Wort und Bild Struves historisches Porträt geliefert
. Da sitzt er als Eule auf der Stange, die Schreibfeder in der Kralle,
hinter sich einen bücherbeladenen Schreibtisch. Darunter steht die spottende,
aber wesentlich nichts verfälschende Erklärung: „Diese Nachteule ist von hochroter
Farbe, kommt aus Pennsylvanien, eigentlich aber aus Rußland, und
schreit immer: Blut! Blut! Sie frißt kein Fleisch und keine Eier, wird mit
Basler Brei gefüttert und. geht auf Raub aus, den sie in der Schweiz verzehrt.
Sie ist bis jetzt noch nicht geschossen worden, weil sie bei Zeiten das Weite
sucht."

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