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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1960/0004
lieh stiefmütterlich zu behandeln pflegt4. Es bleibt also hier noch viel zu tun.
Dafür besteht aber auch die Hoffnung, daß mit neuen Methoden noch neue
Erkenntnisse möglich sein werden.

Das verhältnismäßig geringe Interesse der allgemeinen Geschichte an der
Siegel- und Wappenkunde ist um so mehr zu bedauern, als damit häufig ein
ganzer Komplex von direkten Zeugnissen der Vergangenheit unbeachtet
bleibt, der die schriftlichen Quellen auf mancherlei Weise ergänzen könnte.
Unsere Kenntnis insbesondere vom Mittelalter beruht auf einer so dünnen
Quellenbasis, daß gerade hier jede Erweiterung dringend erwünscht sein
dürfte.

Wenn von den freilich keinesfalls wertlosen Schriftbändern und Legenden
der Siegel abgesehen wird, dann gehören die Siegel und die Wappen zu den
Sachdenkmälern, oder wenn man anders will, zu den Überresten der Vergangenheit
. Anders als die schriftlichen Quellen, die sich des Mediums der
Sprache — oft einer fremden Sprache — bedienen, spricht also aus Siegel und
Wappen die Vergangenheit direkt zu uns. Freilich handelt es sich hier um
eine „Sprache", die dem modernen Menschen fremd geworden und für ihn
daher schwer zu verstehen ist.

In jenen Zeiten, als die Mehrzahl der Menschen noch keine Schrift kannte,
mußte man bestrebt sein, bestimmte Tatbestände auf eine andere Weise zu
verdeutlichen oder dauernd festzuhalten. Dies gilt insbesondere für geistliche
oder rechtliche Verhältnisse und Vorgänge, die man deshalb nicht auf eine
abstrakte, sondern auf eine allgemein verständliche, sinnfällige Weise einem
größeren Kreis klarzulegen suchte. Hierzu standen bekanntlich die verschiedensten
Möglichkeiten offen, auf die an dieser Stelle nur andeutungsweise
eingegangen werden kann. Es sei vor allem auf das Sinnfälligmachen verschiedenartiger
Tatbestände durch symbolische Handlungen oder Zeichen verwiesen
. Dazu gehören vor allem die Abzeichen der Herrscher, die sich zu
Herrschaftszeichen und damit zu einer besonders wichtigen Gruppe der symbolischen
Zeichen entwickelten, ferner die Rechtswahrzeichen, durch die abstrakte
rechtliche Vorgänge sinnlich faßbar gemacht werden sollten, die Allegorien
, die noch unsern Voreltern so sehr geläufig waren, und in gewisser
W eise auch Wappen und Siegel. Der heutige Mensch wird oft durch das Seltsame
oder die Schönheit solcher Zeichen und Symbole angesprochen. Ihren
wahren Sinn kann er aber nicht mehr ohne eine gewisse Schulung verstehen.
Für den mittelalterlichen Menschen waren diese Dinge leichter zu erfassen,
weil er in dieser Beziehung bereits seit der germanischen Frühzeit sehr gut
vorgebildet war.

Will man nun als Historiker diese symbolische Sprache der Dinge und
sinnfälligen Handlungen verstehen, so bleibt nur die Möglichkeit, sich in die
Vorstellungswelt des Mittelalters wieder hineinzudenken. Dabei darf man
sich allerdings keinesfalls blindlings durch die eigene Phantasie leiten lassen,
obwohl ohne dieses Einfühlungsvermögen eine Deutung nie möglich sein wird.
Die Methodik, die hier anzuwenden ist, beruht nach Heranziehung der
meist nur spärlich vorhandenen schriftlichen Nachrichten vor allem auf

4 Dazu vgl. A. v. Brandt, Werkzeug des Historikers, Urban-Bucher 33, Stuttgart 1958, S. 102. An
neueren kunsthistorischen Arbeiten sei vor allern auf die Veröffentlichungen von Hans Wentzel
verwiesen, z. B. Mittelalterliche Gemmen, Z. d. V. f. Kunstwissenschaft, Bd. 8, 1941, S. 45 ff.; Mittelalterl
. Gemmen vom Oberrhein und verwandte Arbeiten, Form und Inhalt, Kunstgesch. Studien Otto
Schmidt zum 60. Geburtstag, Stuttgart 1950, S. 145—158; Italienische Stempel und Siegel all Antico im
15. und 14. Jahrhundert, Mitt. d. Kunsthist. Inst. Florenz 7, Düsseldorf 1953—56, S. 73—86. Vgl. auch
F. K 1 c t 1 c r , Die Kunst im österreichischen Siegel, Wien 1927.

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