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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1960/0078
Unser Bild, 1928 enstanden, mag einiges hiervon erläutern. Was auf ihm zu
sehen ist, ist zwar den Versen Hebels entnommen oder aus ihnen herauszulesen
. Indessen gibt es dichterische Wortbilder, die in der vagen, dem Subjektiven
verhafteten und nur diesem Bereich zugehörenden Unbestimmtheit
verbleiben und nicht von der Zeichenfeder eines bestimmten Künstlers in
eine eindeutige, die Phantasie des Lesers zwingende sinnlich faßbare Form
eingepreßt werden sollten. Was ist in Glattackers Bild nicht alles enthalten
an Requisiten einer naiven Vorstellung von „mitternächtiger Stunde". Der
düstere Wald, Uhu, Harfe, Laterne u. a. Der Denglegeist als etwas ältlicher
Engel nachraffaelitischer Schablone, in konventioneller Frisur und Tracht sagt
uns heute nicht mehr viel; die Verbindung von Übernatur und Natur, wie sie
sich in Geistererscheinungen manifestiert, gehört ebenso zu den schwierigsten
Themen der Kunst wie die Verleiblichung von Gefühlen und Ideen durch
Personifikationen, und die guten Lösungen sind hierin auch sonst nicht eben
häufig.

Sympathischer erscheint ein anderes Bild, in dem der Dichter die junge
Wiese anspricht77. Hier herrscht die Natur mit hohem Wald und steiniger
Blöße, mit strotzendem Farnwuchs und springendem Bach. Das kleine Mädchen
, durch seine reizende Nacktheit als Naturwesen ausgewiesen, stört nicht,
sondern gehört zu der umgebenden Natur, die sich in ihm verdichtet. Es als
Personifikation der Wiese, des schräg durchs Bild fallenden Bergbachs anzusehen
, gelingt unserem Empfinden durchaus. Auch die Gestalt des Wanderers
paßt sich ins Ganze ein. Daß er Hebel vorstellen soll, ist durch das Gedicht
nahegelegt; das biedermeierliche Kostüm mit Tasche und Rock, Hut und
hohen Stiefeln ist in diesem Fall gerechtfertigt.

Auf einem andern Bild spricht Hebel zur mannbaren Wiese78. Vor einem
äußerst genau geschilderten Landschaftsausschnitt, der wie nach der Natur
gezeichnet wirkt, steht Hebel in altertümlichem Rock und Kniehosen, ein
freundlicher milder Stadtherr, mit lehrhaft erhobenem Zeigefinger, in steifer
Haltung und gebundener Gebärde. Die Porträtähnlichkeit ist so nachdrücklich
, daß sie den Illustrationscharakter der Zeichnung leise stört. Die Tracht
der Wiese ist peinlich genau geschildert, und zwar in der altertümlichen
Form von Hut, Mieder und kleiner Schleife. Ist mit einer solchen Genauigkeit
Hebels Forderung nach Treue erfüllt? Man wird Bedenken tragen, das vorbehaltlos
zu bejahen. Hebel verlangte Treue in der Darstellung der für ihn
und seine damaligen Leser gegenwärtigen Tracht, in der Darstellung der zu
seiner Zeit lebenden Markgräfler Leute für seine Zeit. Ein Zix hat 1806, ein
Bendel 1839 dies Verlangen noch erfüllt und erfüllen können, — ihm hundertzwanzig
Jahre und mehr nach Erscheinen der Gedichte noch Genüge tun zu
wollen, ehrt den, der den Versuch dazu macht, auch wenn das Ergebnis seines
Versuches nicht mehr ganz befriedigt. Wäre es aber vielleicht auf jeden Fall
besser, wenn der Illustrator bei solchen zeitlosen Gedichten oder Prosatexten
die heute noch ebenso gültig sind wie gestern, die seiner eigenen Gegenwart
vertrauten Formen von Gewand und Haartracht verwenden würde? Könnte
er damit vielleicht Ideengehalt und Bilder dieser Gedichte für den heutigen
Leser und Betrachter eindringlicher erläutern? Fast möchte man diese Frage
bejahen.

TT a. a. O. S. 25 und Bad. Heimat 40 (i960), S. 114.
T8 a. a. O. S. 71.

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