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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1960/0079
Indessen muß man jeder Epoche ihre eigene Art zu sehen und Hebel zu
lesen zugestehen, - - und die Zeichnungen Glattackers liegen ja bereits über
oder an die dreißig Jahre zurück, eine ganze Generationsspanne also. Zweifellos
ist Glattacker mit seinen Hebel-Illustrationen für eine große Schicht
von Hebel-Verehrern der Interpret Hebels geworden. Er steht für eine bestimmte
gemütvolle, naiv-unreflektierte, unakademische Hebel-Deutung. Man
mag sich von einer solchen naiv-gläubigen Rezeption Hebels distanzieren, —
verwerfen darf man sie nicht. Man wurde sonst die in ihr steckende beachtliche
Unterströmung guten Willens und landsmannschaftlichen Interessiertseins mitverwerfen
, die allerlei tut, um das Andenken Hebels und seiner Gedanken- und
Bilderfracht zu bewahren und zu pflegen. Hierzu ein kleines, mit Glattacker
zusammenhängendes Beispiel: Eine Firma in Riehen (Paul Wenk-Löliger) hat
als Neujahrsgabe 1960 für ihre Freunde ein kleines Hebelheft herstellen lassen,
das unter den Aspekten des 10. Mai 1960 steht und Hebel gewidmet ist. Es enthält
Gedichte Hebels und neue Zeichnungen von Glattacker dazu. Die Auffassung
ist die gleiche wie vordem, nur ist der Strich etwas nachlässiger geworden,
skizzenhafter. Topographische Genauigkeit scheint immer noch angestrebt. Die
menschlichen Figuren wirken etwas unbeholfen, zeugen aber vom ehrlichen
Deutungswillen des Künstlers. Man sollte diesen und ähnlichen Zeichnungen
und Illustrationen nicht nur mit ästhetischen Ansprüchen und Kriterien
gegeilübertreten, denen sie sich z. T. entziehen. Man sollte sie so nehmen, wie
sie gemeint sind: als eine Hebelinterpretation, die zwar zeit- und niveaugebunden
ist, aber doch auch einer sehr zentralen Absicht Johann Peter Hebels
Genüge tut: Sie sind in nüchterner, bescheidener Art volkstümlich. Und auch
Hebel wollte ja nicht, daß seine Gedichte und Geschichten nur von Literaturkritikern
zergliedert, verglichen und ausgeschöpft oder nur von ästhetisch
orientierten Geistern als künstlerische Schöpfungen genossen würden; Hebel
wollte vor allem Volksbücher schreiben, zum schlichten Lesen für schlichte
Menschen. „Einfachheit und Natur" verlangte er in jenem eingangs zitierten
Gutachten vom schreibenden Künstler, „Gediegenheit, Kraft und Würde" und
„ächte und edle Popularität". Hat in Glattacker nicht ein Künstler diesen
Forderungen Hebels zu entsprechen versucht?

Ganz anders als die Zeichnungen Glattackers sind die Schatzkästlein-
illustrationen von Gerhard Ulrich, die man als Gegenbeispiel nennen
könnte. Ulrich ist 1903 in Berlin geboren, war Schüler von L. Bartning und
E. Orlik, seine Arbeitsgebiete sind Buchgestaltung und Buchgraphik, auch als
Schriftsteller ist er tätig79. Er zeichnet, wie man an diesem „Barbierjungen
von Segringen" (Abb. 13) ablesen kann80, sehr flott und gut, mit raschem, aber
genauem Strich. Die Figuren der Handelnden sind ohne Hintergrund und
Rahmen pointiert allein in die Fläche gesetzt, Requisiten und Nebenumstände
sind auf das Nötigste reduziert. Dies und eine gekonnt-elegante Darstellung
der Gestik und Mimik führt zu einem intensiven Eindruck. Das Anekdotische
findet sich glaubhaft und zum Nutzen für das Verständnis unterstrichen. Man
beachte den wilden Blick, die brutal vorgestreckten Beine des Reisenden, den
in die Tischplatte gestoßenen Dolch; alldem hat der Barbierjunge nur Schläue
und Selbstvertrauen entgegenzusetzen.

Vgl. Vollmer Bd. 4, Leipzig 1958, S. 492. Ulrich lebt in Gütersloh, vgl. Kürschners Graphiker-Handbuch
(im Folgenden zitiert als „Kürschner"), Berlin 1959, S. 176.

J. P. Hebel. Aus dem Schatzkästlein des Rheinischen Hausfreunds und den Kalendergeschichten, mit
Zeichnungen von G. Ulrich, Darmstadt 1947, S. 47.

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