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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1961/0032
War Zasius Reuclilinist ?

Von Guido Kisch

Die in dieser Gestalt auf die einfachste Form gebrachte Frage bedeutet: Hat
Zasius in dem Kampfe Reuchlins um die Rettung der mit Beschlagnahme und
Vernichtung bedrohten hebräischen Literatur, der sich schließlich zu einem
Kampf des Humanismus und seiner Träger gegen die scholastische Wissenschaft
und ihre Verfechter entwickelte, das Wort genommen? Ist eine Handlung oder
Äußerung urkundlich nachzuweisen, welche Teilnahme, Eingreifen oder gar
Parteinahme des angesehenen Freiburger Rechtslehrers in dem von beiden
Seiten mit Energie und Erbitterung geführten Streite bekundet, der in dem
Jahrzehnt vor dem Beginn der Reformation und noch lange Zeit nachher das
geistige und religiöse Deutschland und Europa in Erregung hielt?1 Ist der
Humanist, Jurist und Christ Zasius im Kampf für die wissenschaftliche Wahrheit
offen und kraftvoll für ihre Grundsätze eingetreten und ihrem Vorkämpfer
, seinem nur wenig älteren Zeitgenossen, der neben Erasmus als Leuchte des
Humanismus allgemein anerkannt und verehrt war, zur Seite getreten und
zu Hilfe gekommen? In welchem Lager stand Zasius in dem damals in Reuch-
linisten und ihre Feinde, das heißt Obskurantisten, gespalteten Deutschland?

Das Problem ist von dem seit Heinrich Graetz gründlichsten Erforscher und
besten Kenner des Schriftenstreits, dem Verfasser der als Standardwerk bis
auf den heutigen Tag anerkannten und trotz ihrer Veröffentlichung vor nahezu
hundert Jahren unübertroffenen Reuchlin-Biographie Ludwig Geiger nicht
übersehen worden. Nicht in dieser, sondern in seiner trotz aller Fortschritte
der Forschung noch immer beachtenswerten Darstellung „Renaissance und Humanismus
in Italien und Deutschland" hat er sich wie folgt geäußert: „Zasius
war Humanist, stand in enger Verbindung mit den oberrheinischen Humanisten
und war wie sie ein halber Reuchiinist. Denn ohne sonderlich tätigen Anteil
an dem Reuchlinschen Streite zu nehmen, galt er doch als Parteigänger des
Humanistenhauptes, dergestalt, daß er in dem poetischen Berichte einer Rundreise
durch Deutschland, die einem der Dunkelmänner in den Mund gelegt
wird, als gleich gefährlich wie ,die bewaffneten und schrecklichen Adligen' der
Stadt Freiburg erscheint, die sich über den armen Kerl lustig machen, ja ihm
den Tod drohen"2. Diese so zum Ausdruck gebrachte Auffassung scheint durch
nichts anderes begründet zu sein als durch die Tatsache, daß Zasius' Name in
den Epistolae obscurorum virorum begegnet. Geigers Hinweis auf Roderich
Stintzings Werk „Ulrich Zasius" in den Anmerkungen leitet zu seiner Quelle

1 Die Literatur über den Reuchlin-Pfefferkornschen Schriftenstreit wird von mir in meinem demnächst
als erster Band der von der Stadt Pforzheim herausgegebenen Reuchlin-Schriften erscheinenden Buche
über Zasius und Reuchlin übersichtlich und kritisch zusammengestellt; Guido Kisch, Zasius und
Reuchlin, eine rechtsgeschichtlich-vergleichende Studie zum Toleranzproblem im 16. Jahrhundert,
Kapitel III, Anm. 3. Zum Kampf zwischen „Scholastikern" und „Humanisten" vgl. auch Gerhard
Ritter, Die geschichtliche Bedeutung des deutschen Humanismus, Historische Zeitschrift, CXXVfl,
1925, S. 405 f., 449 f.

2 Geiger, Renaissance und Humanismus in Italien und Deutschland (Wilhelm O n c k e n , Allgemeine
Geschichte in Einzeldarstellungen, II, 8), Berlin 1882, S. 505, 579.

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