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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1963/0128
daß die „Haller Glashütte die künstlerisch und wirtschaftlich bedeutendste, zeitlich
früheste und langlebigste Glashütte nördlich der Alpen gewesen ist, die farbloses
Glas nach venezianischem Vorbild herstellte".

„Die archivalisch bestunterbaute Arbeit über einen Zweig des Kunstgewerbes
bleibt so lange ohne praktischen kunstgeschichtlichen Wert, als es nicht gelingt,
erhaltene Objekte zu finden. Dies ist bei der Haller Glashütte in einer beträchtlichen
Anzahl von Gläsern möglich. Sie wurden nach Form und Dekoration den verschiedenen
Betriebsperioden der Haller Glashütte und der Innsbrucker Hofglashütte
zugeteilt". Die einleitende Bemerkung verrät schon die zur Erforschung eines Kunstgewerbezweiges
eingeschlagene Methode, die einzig wissenschaftliche Stabilität verspricht
, nämlich nach Gattungs- und Stilkriterien gruppierte Objekte im archivalisch
gesicherten Gerüst einzubauen. Bei einem unsignierten und nur in den seltensten
Fällen datierten Material — wie eben beim Glas des 16. Jahrhunderts — sind Klarheit
und vor allem Sachlichkeit der aufgestellten Kriterien ebenso notwendige Voraussetzung
wie eine feste Verankerung von einwandfrei bestimmbaren Kerngruppen
im betreffenden Komplex, der erweitert werden darf durch „manche Zuschreibung,
die nur einen gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen kann".
Die reichen Erkenntnisse über die beiden Tiroler Glashütten sind das Ergebnis
solcher erfüllten Voraussetzungen. Ist selbst die genaueste Studie der historischen
Entwicklung und der wirtschaftsgeschichtlichen Struktur einer Glashütte für den
Kunsthistoriker unbefriedigend, wenn ihre Erzeugnisse nicht feststellbar sind, so
scheint nicht minder unbefriedigend eine Gruppierung von Objekten aus anonymen
Werkstätten, die lediglich auf Grund stilkritischer Wahrnehmungen erfolgt, weil
die Erzeugnisse dann heimatlos und die Lokalisierungsvorschläge hypothetisch bleiben
. Auf weiten Gebieten des Kunsthandwerks befindet sich die Forschung in dieser
mißlichen Situation. Um so größer ist dann die Freude, wenn in einer Arbeit wie der
vorliegenden Werkstatt und Werke wieder zusammenfinden.

In der natürlichen Verbindung der Historie und der Realien liegt der bleibende
Wert dieser Publikation, welche auf der Grundlage der wichtigen Arbeiten von
Hans Z e d i n e k (Die Glashütte zu Hall in Tirol, Altes Kunsthandwerk, Wien 1927)
und Heinrich H e i m e r (Die Glashütte zu Hall in Tirol und die Augsburger Kaufmannsfamilie
der Höchstetter, Diss. München 1959) sowie des Urkundematerials von
Karl M o e s e r zu einer differenzierten Darstellung der Glashütte und ihrer Erzeugnisse
vordringt. Dem geschichtlichen Abriß jeder präzis umgrenzbaren Betriebsperiode
(1. unter Wolf gang Vitl, 1534—1540; 2. uniir Sebastian Höchstetter, 1540—1569;
3. unter Dr. Johann Chrysostomus Höchstetter, 1569—1599; 4. unter Dr. Hieronymus
Höchstetter und Paul Kripp, 1599—1635) folgt ein Werkverzeichnis der jeweils aus
dem betreffenden Zeitraum erhaltenen bzw. ihm mit guten Gründen zugewiesenen
Gläser.

Waren die Glasmacher der ersten Periode noch Italiener, in der zweiten wurde
schon „das schön zierlich Glaswerckh auf die venedigisch Art mit lautter deutschen
Arbeittern" hergestellt. Dem entspricht, daß den in venezianischen Formen geschaffenen
Gläsern deutscher Renaissancegeschmack anhaftet. Der Trichterpokal war
die hauptsächliche Glasform dieser zweiten Periode, der zylindrische Stangenhumpen
mit Deckel kennzeichnet die führende Glasform der folgenden. Diamantriß und
Kaltfarbenmalerei bilden jetzt den Glasdekor. Der künstlerische Einfluß der Innsbrucker
Hofglashütte macht sich geltend. In dieser entstanden reich dekorierte prunkvolle
Glaswerke, hauptsächlich Vasen, Pokale und Fruchtschalen, die zu den erlesensten
Schöpfungen der Glaskunst des 16. Jahrhunderts gehören und den artistischen
Erzeugnissen aus Murano in nichts nachstehen. Derselbe Fürst, der auf Schloß
Ambras die „Kunst- und Wunderkammer" eingerichtet hat, einer der bedeutendsten
Sammler und Kunstliebhaber seiner Epoche, schon in seiner Prager Zeit der Glaskunst
besonders zugetan, Erzherzog Ferdinand IL, hat diese Innsbrucker Hofglashütte
gegründet (etwa 1570—1591 in Betrieb). Aus Schloß Ambras stammt schließlich
auch ein Deckelglas, vom Erzherzog selbst geblasen, dann kostbar in Gold gefaßt

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