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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1964/0009
Straße die Häuser, vor allem auch, noch der Römische Kaiser, aber darüber
hinaus gewahrte man nur Ruinen und die Straße selbst [wie] eine Trümmeransammlung
.

Ich blieb heute früh bis gegen 9 Uhr auf meinem Schrägen liegen. In der
Nacht, nach dem Bombardement, hatte ich mir vorgestellt, eine Dankmesse in
der Pfründhauskapelle zu lesen, aber daran war jetzt nicht mehr zu denken.

Nach dem Frühstück kam Mehl14, und mit ihm machte ich — bald auch noch
in Begleitung von Hefele15, der berichtete, daß sein ganzes Archiv erst gegen
Morgen in Feuer geraten sei, ohne daß die Feuerwehr sich zu einer Gegenwehr
gewillt zeigte - - die Runde, an der Universität vorüber, die mehrfach
schwer getroffen war, aber im Hauptbau noch aufrecht stand; [die] Rotteckschule
wie die Universitätsbibliothek in der Mitte auseinandergerissen. Yor
der Caritas ein riesiger Trichter; Theater und Berthold-Gymnasium noch
brennend. Papierhaus Kaiser bis auf den Boden weg und ebenso die ganze
Front der Berthold- und Rotteckstraße. [Das] Heilig-Geist-Spital noch in allen
Teilen brennend. Yor dem Eingang in den Colombipark traf ich die Oberin
und die andern Schwestern mit einem kleinen Teil ihrer Habe, auf einen
Wagen wartend, der sie in die Kartaus führen sollte. Tränen in den Augen,
berichteten sie, daß alle gerettet seien bis auf eine Frau, die einen Herzschlag
bekam, und einen Mann, der nicht aufstehen wollte. Yincentiushaus — nur
noch nackte Mauern; gegen die Friedrichstraße sah es ganz fantastisch aus,
aber weiter nach Norden zu dringen, war unmöglich.

Wir versuchten jetzt, durch die Eisenbahnstraße, die nicht ganz verschüttet
war, nach dem Franziskanerplatz zu kommen, wo uns ein beißender Rauch
fast erstickte. Das neue Rathaus stand noch. Aus dem alten schlugen die
Flammen aus allen Fenstern, und dort sah man auch endlich Feuerwehr in
Aktion. Yon St. Martin standen nur die Umfassungsmauern noch, ebenso vom
Pfarrhaus. Rechts waren alle Häuser nur Berge von Trümmern. Es war
lebensgefährlich, sich bis zur Kaiserstraße durchzuarbeiten, auf der wir über
hochaufgetürmte Schutt- und Steinmassen, Balken und Eisen- und Draht-
geilecht klettern mußten.

Rings um uns eine neue Welt, eine grauenvolle Steinwüste, aus der einzig
nur das Münster, unberührt von diesem Spuk der Hölle, aufragte. Mir kamen
unwillkürlich die Tränen in die Augen, und viele ergraute Menschen sah ich
in der gleichen Fassung. Bei vielen anderen machte sich die Entrüstung, die
leidenschaftliche Erregung über das teuflische Gewaltregiment, dem dieses
ganze Werk der Hölle zu danken ist, ungehemmt Luft. Von der Kaiserstraße
stand nichts mehr aufrecht. Das Münster aber war intakt, in seinem ganzen
Gefüge unberührt. Der Platz vor ihm schuhtief mit Ziegeln und Splittern
übersät, mit Brandbomben, auf der Nordseite, kaum zehn Meter entfernt, zwei
Riesentrichter.

Der ganze Häuserkranz des Platzes niedergebrochen oder als Brandruine.
Nur das Erzbischöfliche Palais und das Kaufhaus standen noch; im ersteren
traf ich einige Buben und Welte16, die Wasser schleppten: im Hinterhaus
müsse man löschen. Man hoffe aber, es bewältigen zu können. Das Kaufhaus
und Wenzingerhaus und der Ostabschluß des Münsterplatzes stehen noch.

14 Landgerichtsdirektor (Frau Mehl geb. Reich), Goethestraße.

15 Stadtarchivdirektor Dr. Friedrich Hefele (f 22. 6. 1956).

ig Dr. theol. Bernhard Welte, damals Erzbischöflicher Kaplan, jetzt Prof. der Christi. Religionsphilosophie,
Freiburg i. Br.

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