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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1965/0137
leg über die dauernde Austreibung der Juden. In Endingen dagegen galt für die
Juden zu diesem Zeitpunkt noch das Privileg der Üsenberger vom Jahre 1331.

Am hartnäckigsten kielt sich jahrhundertelang in vielen Einzelfällen die
Anklage der Juden wegen angeblicker Ritualmorde, die meist Todesstrafen
und die Vertreibung der andern Juden zur Folge katten. Als Anlaß zum Mordverdacht
gegen Juden wurden jüdische Kultgebräucke genannt, die das Ge-
keimnis einer gekeimen Sekte seien. Dock scheint die Annahme eher auf die
Formel „Der Jud ist Christenfeind" zurückzufükren zu sein13. Die im Hand-
wörterbuck des deutscken Aberglaubens zusammengestellten „Fälle" sind sekr
zaklreick und reicken vom 12. bis zum Beginn des 20. Jakrkunderts.

Es muß vorausgesckickt werden, daß ein scklüssiger Beweis für das Datum
„1462", in welckem Jakr die Endinger Mordtat erfolgt sein soll, nickt gegeben
ist. Erst Verkörprotokoll14 und Prozeßakten vom Jakre 1470 bringen die Darstellung
für das vermutliche Geschehen, welckes sick ackt Jakre zuvor ereignet
haben soll. Die Schilderung über Ankunft, Herbergssucke, Unterkunft und
Versckwinden der „Fahrenden Leute" sowie spätere Ausführungen über das
Auffinden von Leicken u. a. können deskalb nur mit allem Vorbekalt gegeben
werden.

„by ackt iaren (ackt Jakre vor 1470 = 1462) sient arme Lütke, nemlick ein
man, ein frawe und czwey kinde mit eynem pferdlin czu Endingen spate
uff der gassen gehalten und habent gebetten umbe herberg"15.

Wenn es zutrifft, was Eiermann vermutet hat16, so wäre das Elternpaar mit
den zwei Kindern „wallfahrend" nack Endingen gekommen, um am „Frauentag
" (15. August, Fest Maria Himmelfakrt) ikr Anliegen zur Gnadenmutter zu
tragen17. Nack Selma Stern18 soll es ein Herbstabend gewesen sein, als die
Bettlerfamilie auf ikrer Wandersckaft die kleine Stadt Endingen durckzog.
Niemand wollte iknen Unterkunft gewäkren, bis Sara, die Frau des Rabbi
Elias, sick ikrer erbarmte und iknen die Sckeune ikres Hauses als Herberge
zuwies. Es war die Zeit des Laubküttenfestes, und Elias katte seine beiden
Brüder und einige Juden aus Pforzkeim19, die gerade in Endingen weilten,
eingeladen, in seiner Woknung die Hosckasco-Rabbo-Nackt betend und singend
zu verbringen. In der Jakreszeit ist also ein Widerspruck zwiscken der allgemeinen
Nennung des Laubküttenfestes im Spätjakr und des Frauentages im

13 Peukert „Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens", Bd. VI, S. 728. — Peter Browe, S.J.,
schrieb ausführlich 1938 in der Zeitschrift für Katholische Theologie (Innsbruck) über „Die
Judenbekämpfung im Mittelalter" und 1942 in Miscellanea Historiae Pontificiae (Rom) über
„Die Judenmission im Mittelalter und die Päpste".

14 FrUB. — Amira ist der Meinung, die Bezeichnung „Verhörprotokoll" sei willkürlich von Schreiber
gewählt.

16 Wolfram, S. 31.

16 Eiermann: „Pfarrkirche St. Peter, Endingen a. K.", 1942, S. 14.

17 Stork, Wilhelm, schreibt in „Wallfahrtsorte der Erzdiözese Freiburg i. Br." 1903, S. 21: „Obschon
die Martinskirche nur den Charakter einer Filialkirche hat, übt sie doch auf die Bewohner eine
besondere Anziehungskraft aus, da sie seit Jahrhunderten eine Wallfahrtsstätte bildete, über
den Ursprung dieser Wallfahrt liegen keine Nachrichten vor; jedenfalls war sie schon im
15. Jahrhundert sehr besucht."

18 Stern: „Josel von Rosheim" 1959, S. 17. Den Hinweis auf dieses Buch verdanke ich Frau Toni
Oelsner, New York.

19 Nach den Prozeßakten (Wolfram) war der Jude Leo aus Pforzheim unterwegs, um seine Mutter
in Sennheim (Elsaß) zu besuchen.

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