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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1965/0138
Sommer. Nachdem nun eine Herberge gefunden war, haben Mann und Frau
wohl die beiden Kinder aus dem Tragekorb, den ihr Rößlein trug, herausgenommen
und sind in die Scheuer des Juden Elias gegangen, wo sie auf dem
Stroh Platz zum Schlafen fanden.

Im Prolog zum Judenspiel20 wird uns gesagt, daß zum „Lauberfest" gekommen
seien „gar vil gest" und „noch zur selben zeit kein spital21 hier war
zubereit". So mußten die Leute in der Stadt herumgehen und eine Herberge
suchen. - - Am Tag nach der Ankunft soll die Familie spurlos verschwunden
gewesen sein. Die schon geäußerte Annahme, sie seien am frühen Morgen
des anderen Tages fortgezogen, ist auch eine der unbewiesenen Möglichkeiten,
der aber die Auffindung der Leichen, wenn es die der „fahrenden Leute" sind,
entgegensteht.

Nördlich beim Turm der Peterskirche steht heute ein Haus, das ein Halbkellergeschoß
und darüber einige Wohnräume hat. Die beiden gotischen Fenster
, aufsitzend zur ebenen Erde, tragen die Jahreszahl 1481, womit die Entstehungszeit
des jetzigen Gebäudes feststeht. Mitte des 15. Jahrhunderts war
dort am Rande des um die Kirche gewesenen Gottesackers das Beinhaus
(Karner). Daß dieses um 1470 baufällig war, kann bei Kenntnis der obengenannten
Erlaubnis Herzog Albrechts vom Jahre 1447 als sicher angenommen
werden. Zwei Bürger, die vor dem Abbruch des Gebäudes die Totenbeine ans
dem Beinhaus tragen sollten, stießen auf die Leichen. Inmitten der aufeinan-
derliegenden Gebeine seien die Leichen von zwei Erwachsenen und von zwei
Kindern versteckt gewesen. Die Leichen waren alle ohne Kopf. Ihre Beschaffenheit
, nachdem seit der Tötung der Menschen acht Jahre vergangen gewesen
seien, gab zu vielen Fragen Anlaß. In dem „Lied von den Eltern und unschuldigen
Kindern"22 sagt die letzte Strophe: „Sie blühen als wie ein Rosenstock,
sie schmecken als wie ein Jilgenstock, vor Gott sind sie vier Engel." Beim
Judenspiel selbst lauteten die Verszeilen 905 und 906: „Das ist fürwahr ein
Wunder groß, sie schmecken wohl gleich wie ein Ros." Dies soll die Reinheit
der unschuldig ums Leben gekommenen Menschen versinnbildlichen. Knie-
bühler schrieb: „Die ausgetrockneten Leichname der Christen waren nicht
verwesen, was man damals für ein Wunder und den Willen Gottes hielt. Sie
hatten das Aussehen einer ägyptischen Mumie."

Realistischer schreibt F. W. Beck23 über die „angeblichen Opfer der Endinger
Blutnacht", so wie sie in der Peterskirche sich befinden: „Bei allen vier Leichnamen
sind die Köpfe aus Wachs, bei der Frau auch ein fehlender Arm aus
Holz ergänzt. Die Schienbeine sowie einige kleinere, sonstige Körperteile liegen
bloß; die übrigen Weichteile aber sind völlig mumifiziert. Es erscheint aber
fraglich, ob am gewiß nicht regenarmen Kaiserstuhlrande Leichen, die in einem
Beinhause wohl jahrelang unter einem Knochenhaufen versteckt gelegen sein
sollen, derart austrocknen können. Doch ist auch nicht zu verkennen, daß die
starke Entblutung kopfloser Menschenkörper austrocknend und deshalb fäulnishemmend
wirkt." Er läßt die Frage offen, ob es sich bei diesen vier Leichen
tatsächlich um die der 1462 in Endingen beherbergten Leute handelt.

20 Amira: „Das Endinger Judenspiel" (= Amira) 1883, S. 21.

21 Armenspital in Endingen ist erst 1589 erwiesen (BStB, S. 216).

22 Amira, S. 102.

23 Beck, F. W.: „Geschichten und Gestalten aus Badens Vergangenheit". Kehl 1928, S. 13 f.

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