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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1971/0046
Für Kain und Abel finden sich weder in der Wiener Genesis noch in karo-
lingischen Bibeln, nach Künstle, entsprechende Vorbilder47. In Krozingen ist
Abels tuchumhüllte Opfergabe ein Böcklein, das dem Pferdekopf auf Abbildung
8 verwandt erscheint. Kain opfert, ebenfalls in kurzer Tunika, eine
Hafergabe (Abbildungen 5, 6). In der Kapelle von Charlieres im Berner Jura,
mit übrigens ähnlich hoch angesetzten Fenstern wie die der Glöcklehofkapelle
und der Goldbachkapelle bei Überlingen, sind im Zwickel des Chorbogens
auch Kain und Abel dargestellt. Soweit man der mäßigen Restaurierung
trauen kann, ist das Böcklein dem von Krozingen ähnlich. Die Malerei
wird als Werk der „Reichenauer Schule" angesehen, das Heinrich IL vermittelt
oder gestiftet hat (6Seite 78 ff.). Manches Gliederpuppenartige und die
Haarwülste von Kain und Abel in Krozingen sind typisch für Figuren im
Perikopenbuch Heinrichs II. vor 1014.

Die nach oben konisch zulaufenden Nasenbreiten, die dreieckig begrenzten
skizzierten Nasenenden in Krozingen finden sich ähnlich auf der Fresken-
siidwand von St. Prokul in Naturns im Vintschgau. Bisher um 800 datiert,
scheint sie doch nach neueren Untersuchungen eher ein Werk der Volkskunst
des Spätottonischen, wenn nicht des Romanischen zu sein. Sie wäre dann mit
den Fresken in Egara-Tarrasa, Provinz Barcelona, die neuerdings dem 10.
oder 11. Jahrhundert zugeschrieben werden, nach Form und Zeit verwandt48.

Die Krozinger Kain und-Abel-Darstellung steht, neben dem theologischen
Zusammenhang von Altar und Meßopfer, wohl auch indirekt für die ländliche
Situation von Viehzüchtern und Ackerbauern. Dieser nicht zu übersehende
Hinweis auf „Gut" und „Böse" ist doch auch belehrend und erziehend mitgemeint
. Als späteres Beispiel wäre auf St. Ägidius in dem bekannten Marktflecken
Keferloh bei München um 1175 hinzuweisen. Ein ähnliches Fenster
mit Kain und Abel befindet sich in der Nikolauskirche von Degenau im Thur-
gau. Bei gleicher ländlicher Situation sind hier die Gestalten grafisch, zierlich.
Der antike Opfergestus mit verhüllten Händen ist der gleiche, ebenso die
kurze Tunika. Dazu kommt noch ein dunkler Mantel nach Art römischer Hirten
. Somit wirkt auch hier älteres Tkonografisches nach. Otto Demus sieht in
Degenau ein älteres ländliches Gegenstück zu Reichenau Niederzell und
datiert erste Hälfte 12. Jahrhundert49.

Die Bedeutung des Hintergrundes in beiden Bildern des Martyriums läßt
sich in Krozingen nicht mehr ganz überblicken. Im Vergleich zur Reichenau
Oberzell und seinen großformatigen Wundern Christi fällt hier eine stark
zusammengedrängte Aktion in bewegten Figurengruppen von Gewicht mit
deutlichen Gebärden auf. Gegenstände werden links im Behältnis, das für
Kerker zu setzen ist, und rechts in dem gedeckten Tisch mit einem Lamm zum
Mahl und dem Suppedaneum, betont sparsam, aber kompositionsbetont gebracht
. Der einheitlich helle Ockergrund hat etwas von der Wirkung von
Goldgrundmosaiken, wie sie die Buchmalerei der Zeit nachschafft.

Über den Ausdruck der Gesichter, über die Sprache der Hände, den Fluß
der Gewänder und anderes mehr lassen sich für das vollendete, nicht auf uns
gekommene Werk nur sehr ungefähre Vermutungen im Zusammenhang mit

47 Karl Künstle, Ikonographie d. christl. Kunst, 1928, S. 280.

48 Paolo Verzone, Werdendes Abendland, Kunst d. Welt, Holle 1967, Abb. J 195, 221.
4ö Otto Demus, Romanische Wandmalerei, Hirmer 1968, S. 93.

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