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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1975/0070
hundert, finden wir das „Pyr automaton", das selbstentzündliche Feuer. Man
mischte gebrannten Kalk mit Schwefel, versah die Mischung mit einer wärmedämmenden
Umhüllung, und ließ langsam Wasser eindringen. Die beim Löschen des
Kalks auftretende Wärme zündete nach einer gewissen Zeit den Schwefel. Dieses
Feuer war wohl die Grundlage, auf der der Baumeister Kallinikos in Byzanz 671
bis 678 sein „Pyr hygron" oder „Pyr Thalassion" (Meerfeuer) entwickelte. Beschreibungen
finden sich ebenso im Über ignium des Marcus Graecus, das erst im 14. Jahrhundert
entstanden ist, wie bei Roger Baco. Der Admiral Yün-Yün-Wen verwendete
es 1161 bei einem Rückzugsgefecht über den Yang-tse-Kiang mit Erfolg. Zu
jener Zeit kann also der Salpeter noch nicht bekannt gewesen sein.

Im Jahre 1232 aber werden bei den Kämpfen um die Stadt Pien-King (heute:
Tai~fung-fu) zwei Feuerwaffen (Huo-p'aus) verwendet, die nur mit Salpeter als
Grundlage denkbar sind. Salpeter muß also vor 1232 und nach 1160 in China entdeckt
worden sein, wo er infolge Verwesung organischer eiweißhaltiger Verbindungen
entsteht und im dortigen Klima auf Steppenböden als weiße Schicht „ausblüht
". Es handelt sich dabei um ein etwa 80°/aiges Gemisch natürlicher Nitrate des
Calcium und Kalium, das oft mit Kochsalz versetzt wurde und erdige Anteile enthielt
. Es soll im folgenden stets als „Salpeter" bezeichnet werden. Dieser Salpeter
wurde bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts zur Pulverherstellung benutzt. Das
Calciumnitrat ist stark hygroskopisch, so daß der häufige Zusatz von öl zu Salpeter
als Schutzmaßnahme gegen angreifende Luftfeuchtigkeit vermutet werden
darf. Erhitzt man nun Salpeter mit Schwefel oder anderen Brennstoffen, so zerfällt
er und gibt Sauerstoff frei. Im Gegensatz zu den bisher bekannten Brennstoffen
, die stets auf die Zufuhr von Luftsauerstoff angewiesen waren, war jetzt ein
gewaltiger Fortschritt geschehen, denn man verfügte über einen Sauerstoffträger,
der es ermöglichte, Brennstoffe im geschlossenen Raum zu oxidieren. Auf diesem
Prinzip beruht die Pulverwaffe in ihrer Funktion bis heute. Denn die sich entwik-
kelnden gasförmigen Endprodukte können im geschlossenen Raum die zum Schießen
notwendigen hohen Drucke erzeugen.

Die Verteidiger von Pien-King, die King, besaßen gleich zwei huo-p'aus: Einen
mit Namen Tschin-tien-lui, den himmelerschütternden Donner und einen mit Namen
Fei-huo-tsiang, den Pfeil des fliegenden Feuers, die Rakete (Abb. 1). Diese Angaben
finden sich in den 1652-1732 erschienenen Reichsannalen Chinas, im Buch
Ku-tschi-tsching-yuan, zu deutsch: Aller Arten glänzender Dinge Anfang (Buch
19-52). Die Berichte der Annalen werden als verläßlich bezeichnet. Die Mongolen,
die kurze Zeit später nach Westen vordrangen und gute Feuerwerker besaßen, ha-

Abb. i: Fei huo-tsiang 1232

Abb. 2: Tschin-tien-lui 1232

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