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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1975/0073
Der vierte Autor, Marcus Graecus, der fälschlich in das 9. Jahrhundert datiert
worden ist, läßt sich historisch nicht nachweisen. Die Entstehung seiner Schrift
„über ignium" (Feuerbuch) wird in den Zeitraum von 1285-1325 datiert. Dort sind
zwei Pulverrezepte angegeben - Nr. 13 und 14 - die somit in den genannten Zeitbereich
der übrigen Schriften fallen, oder zeitgenössische Einschiebungen in die vorhandenen
Abschriften sind. Betrachtet man die obigen Daten kritisch, so gibt es in
dieser viel umstrittenen Frage nur eine Antwort: Pulver und Schußwaffen kamen
nicht gleichzeitig, sondern unabhängig voneinander nach Europa! Die Angaben
Bacons und des Albertus zeigen eindeutig, daß die von ihnen beschriebenen Dinge
kleine Knallkörper und Raketen gewesen sind Kinderspielzeug! Nicht über Gelehrte
, Universitäten oder kriegerische Ereignisse wurde ihre Kenntnis verbreitet,
sondern über Händler, Jahrmärkte und fahrendes Volk. In Europa gab es damals
keine Feuerwerker, der Gedanke, das Pulver zu anderen, militärischen Zwecken
einzusetzen, kam gar nicht auf.

Der einzige Autor, der sie als Kriegsinstrumente beschreibt und in sein Kriegs-
buch einbezieht, ist Hassan al Rammah. Die Rezepte beruhen auf gründlicher Erfahrung
und gehen zum Teil auf seinen Vater und Großvater zurück. Also wieder
in die Zeit des Ibn al Baythar. Wenn aber Händler in Europa diese Knallspielzeuge
verbreiten, so müssen sie ihren Ursprung irgendwo gehabt haben. Das muß
Arabien gewesen sein, wo man sie für kriegerische Zwecke weiterentwickelte. Man
muß daher den Arabern das Verdienst zuschreiben, den dritten, wesentlichen Bestandteil
des Pulvers, die Kohle, entdeckt zu haben. Diese erhöht die Brenngeschwindigkeit
des Pulvers entscheidend und macht es erst zum treibfähigen, schnellbrennenden
Gemisch. Das bedeutet aber nicht, daß man sich über die Tatsache im
Klaren gewesen ist, daß nur diese drei Bestandteile notwendig sind, und ihre optimale
Zusammensetzung war ebenfalls unbekannt. Hier hat später Berthold entscheidend
eingegriffen.

Zur Zeit des Hassan al Rammah entwickeln die Araber eine praktischere Waffe
aus dem chinesischen To-huo-tsiang, den Madvaa. Er ist zunächst ein Flammenwerfer
wie der To-huo-tsiang, aber das Rohr ist sehr kurz, aus Holz geschnitzt,
fast in der Größe einer normalen Tasse mit kurzem Stiel. Ist er mit Pulver gefüllt,
kann man ein weites Bambusrohr darüberschieben. Wie dann gezündet wurde ist
nicht klar, wahrscheinlich aber mit einer Zündschnur. Der Madvaa ist offensichtlich
ein auseinandernehmbarer To-huo-tsiang, der in zwei Variationen verwendet werden
kann (Abb. 4). Er ist in einer Leningrader Kopie des Schems-Eddin-Moham-
mad aus dem 15. Jahrhundert gemalt. Andere datieren den Madvaa etwas später,
an den Beginn des 14. Jahrhunderts. Die arabischen Schützen legten einen haselnußgroßen
Stein auf das Pulver, den Bondoc. Es ist zu vermuten, daß die Pulverladung
nicht körnig, sondern mit Harz oder öl versetzt war. Sie wurde in breiigem
Zustand eingefüllt und der Stein hineingedrückt. Der Madvaa ist offensichtlich ein
direkter Vorläufer der frühen europäischen Pulverwaffen.

Trotz der Verwendung aller möglichen Brandwaffen, auch der Rakete, die auf
arabisch bezeichnenderweise AI Sichm alkhatai (Pfeil von China) heißt, sind die
Araber nicht mehr wesentlich über diesen technischen Stand hinausgekommen.
Wenden wir uns daher nach Europa ins Jahr 1326. Da geschahen gleichzeitig zwei

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