Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
94/95.1976/77
Seite: 220
(PDF, 57 MB)
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  (z. B.: IV, 145, xii)



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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1976-77/0226
rem Buch ist das letzte Lebenszeichen von ihm, das wir nachweisen können. Er übereignete
die Bücher seinem Freiburger Kloster.8 1648 aber befand sich zumindest
unser Buch bereits im Freiburger Franziskanerkloster, also lange bevor auch die
letzten Freiburger Augustinereremiten hierher von Amts wegen verpflanzt wurden
(1784).9

Auf dem Holzschnitt sehen wir eine Gruppe von Heiligen unter drei gotischen
Bögen mit Krabbenwerk nebeneinander stehen, in der Mitte und etwas nach vorn
gerückt eine hl. Anna selbdritt. Durch die Lehre von der unbefleckten Empfängnis
Marias war auch der Kult ihrer Mutter Anna im späten 15. Jahrhundert stark intensiviert
worden, und zwar in allen Bevölkerungsschichten. Der glühende Annenverehrer
Trithemius schrieb ihr zu Ehren Bücher und Gedichte, in zahllosen Städten
und Dörfern wurden St. Annabruderschaften gegründet, Annenaltäre errichtet,
unübersehbar sind die Stiftungen zu Ehren der Heiligen. „Anna war . . . um 1500
die Modeheilige".10 Unter den bildlichen Darstellungen war besonders die „Anna
selbdritt" beliebt, d. h. die Verbindung Annas mit Maria und Jesus, die nun in zahlreichen
Varianten auftrat. Süddeutschland scheint vor allem in der Plastik die stehende
Selbdritt bevorzugt zu haben, in ihrer Ikonographie ein recht früh bezeugter
Typus, bei der Anna eine etwa 12jährige Maria mit offenem Haar und Stirnreif
oder Krone meist auf dem linken, das etwa gleichgroße Jesuskind auf dem rechten
Arm hält. Kind und Enkelkind erhalten hierbei die Bedeutung eines Attributs.
Auch unser Bild stellt die hl. Anna selbdritt auf diese Weise dar. Sonst überwiegt in
Einblattdrucken der sitzende Typus. Schreiber konnte nur vier Blätter der stehenden
Anna selbdritt nachweisen, die alle am Ende des 15. Jahrhunderts in der
Rheingegend und Schwaben entstanden und eng miteinander verwandt sind.11

Trotzdem scheint die hl. Anna nicht der eigentliche Anlaß dieses Einblattdrucks
gewesen zu sein, sondern eine sei. Nonne, die - schon durch ihren Strahlennimbus
von den anderen Gestalten unterschieden - sich an der links vom Beschauer aus gesehenen
Seite befindet. Sie hält vor sich ein Herz mit den Marterwerkzeugen des
Herrn. Eine Unterschrift hilft, die Heilige und ihr Attribut zu deuten. Dargestellt
ist die hl. Klara von Montefalco, eine Augustinereremitin aus der Frühzeit dieser
weiblichen Ordensbewegung, die um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert
lebte und durch ihre Christus-Mystik bekannt wurde.12 Sie hatte sich so in die Leiden
des Gekreuzigten versenkt, daß sich ihr, wie die Legende zu berichten weiß,
die Symbole der Passion ins Herz einprägten. Der wenige Monate nach ihrem
Tod eingeleitete Heiligsprechungsprozeß wurde durch den Tod des Papstes Johannes
XXII. (f 1334) unterbrochen und erst 1881 durch Papst Leo XIII. abgeschlossen
. Die Heilige ist in Deutschland recht unbekannt und ich konnte für das frühe
16. Jahrhundert hier sonst keine weiteren Beweise einer kultischen Verehrung aufspüren
. Es wäre möglich, daß Anseimus de Montefalco, ein Ordensgeneral der
Augustinereremiten, der zwischen 1486 und 1495 amtierte,13 den Kult seiner Landsmännin
und Ordensschwester im an weiblichen Heiligen nicht gerade reichen Augustinerorden
beleben wollte, vermutlich auch, weil Christusmystik und Leidensnachfolge
des Herrn maßgeblich das Frömmigkeitsleben im späten 15. Jahrhundert bestimmten
.14 Es bleibt aber dahingestellt, ob unser Bild nun durch derartige Anstöße
veranlaßt wurde, die nicht nachzuweisen waren, oder erst durch die Arbeit eines

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