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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1978/0132
1922, dem Tag nach dem Rathenaumord, immerhin gesagt hatte: . . . dieser Feind
steht rechts, Wirth andererseits die meisten seiner Ausführungen in jenem Prozeß
als Zeuge unter Eid gemacht hatte, glaubten Plattner und sein Anwalt, genug For-
malia für einen Revancheprozeß wegen Meineids an der Hand zu haben. Klage
erhob aber schließlich die Staatsanwaltschaft, die öffentliches Interesse an der Verfolgung
dieser Angelegenheit unterstellte.

Aus mehreren Gründen ist das Verfahren von Belang. 1. Wirth klärte hier -
allerdings nicht zum ersten Mal - den Aussagegehalt seines zum geflügelten Wort
gewordenen Ausspruchs.3 2. Der Prozeß gab dem Reichskanzler der Jahre 1921/22
Gelegenheit, seine damalige Politik zu erläutern. Um zu zeigen, daß es abwegig
sei, ihm eine pauschale Abwertung der politischen Rechten zu unterstellen, legte er
das Schwergewicht auf den Vertrag von Rapallo, den zustandezubringen er maßgeblich
mit rechtsorientierten Persönlichkeiten, besonders mit General von Seeckt,4
zusammengearbeitet habe. 3. Schließlich entsteht ein Bild von Wirths Exildasein,
das mit dem Tag des Ermächtigungsgesetzes begonnen hat.5

Zu diesem letzten Aspekt möge ein Dokument aus der Feder Wirths sprechen.
Anlaß, es zu verfassen, gab die Nachricht, daß die Finanzverwaltung in Berlin die
Hand auf das Mobilar seiner dortigen Wohnung gelegt habe wegen Verzugs in
der Zahlung der Reichsfluchtsteuer. Am 24. Juni 1934 schrieb er an den Reichs-
finanzminister Schwerin von Krosigk:

Ich will in der ersten Aufregung versuchen, möglichst ruhig zu schreiben. Nehmen
Sie sich bitte um die beiliegende Sache an und geben Sie bitte meine Einsprache
an das Finanzamt Hansa. Ich habe in Sachen Reichsfluchtsteuer keinerlei Nachricht
erhalten und erlebe nun die große Schande, mein Mobiliar gepfändet zu sehen
. Ich habe zu Ihnen, Herr Minister, immer Vertrauen gehabt, auch heute!

Ich habe Deutschland Ende März 1933 verlassen, um in Wien die Arbeit von
zwölf Jahren abzuschließen. Herr Staatssekretär von Bülow (A. A.) kann genaue
Auskunft geben. Im Juli wollte ich, von Rom kommend, in die badische Heimat.
In den Zeitungen stand mit wüsten Beschimpfungen die Meldung über Schutzhaft.
Mit dem Hinweis auf den Rapallovertrag!! Die Reichsregierung intervenierte. Die
Polemik über den Rapallovertrag hörte auf.7 Herr Staatssekretär Dr. Lammers
- Reichskanzlei - hat mir die nötigen Mitteilungen zukommen lassen. Bitte lassen
Sie sich von Herrn Lammers unterrichten.

Dann erfolgte in einer nationalsozialistischen Zeitung meiner Heimat eine Denunziation
wegen angeblichen Meineides. Ich stand in Freiburg im Jahre 1932 in
einem Prozeß gegen einen Nationalsozialisten. Ich soll angeblich auf der Haager
Konferenz (unter Minister Curtius) Landesverrat verübt haben. Eine sinnlose
Kommödie! Seit Sommer 1933 leide ich unter Verfolgung. Ich habe alles getan, die
Sache aufzuklären. Es handelt sich bei der Beschuldigung um die Zurückweisung
eines Zwischenrufes in dem oben genannten Prozeß. Mein Anwalt hat wiederholt
um gerichtliche Entscheidung der Voruntersuchung gebeten. Es fehlt seit einem
viertel Jahr jede Nachricht. Herr Dr. Lammers kennt den Fall.

Im Oktober 1933 wurden mir meine Übergangsbezüge durch Herrn Minister
Dr. Frick entzogen. Sehr hohe Stellen in Deutschland warnten mich zurückzukehren
. Ich säße wohl ein Jahr in Haft. Man wollte mich in meiner Heimat in beson-

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