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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
101.1982
Seite: 77
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1982/0079
Wie war es möglich, daß gerade das Landgericht im Thurgau, das sich im übrigen
dem gemeinrechtlichen Prozeß wenig zugänglich zeigte, als regelrechte Appellationsinstanz
angerufen werden konnte. Hier zeigt sich am Modellfall das Zusammenwirken
von juristischer Doktrin und politischer Schwerkraftbildung.
Nachdem die Stadt Konstanz 1417 das Landgericht pfandweise erworben hatte,
war es ihr Bestreben, dieses als Instrument ihrer Territorialpolitik im Thurgau
einzusetzen, eine Rechnung, die mit dem Einrücken der Eidgenossen für die Stadt
allerdings nicht mehr aufging. Immerhin gelang es, das Landgericht über den
hergebrachten Rechtszügen bei gezweitem Urteil als Appellationsinstanz zu etablieren
und Ansätze einer grundherrschaftlichen Berufung zu absorbieren. So
hatte die Öffnung von Wigoltingen 1403 noch bestimmt, daß „die minder hand
wie von alter herkomen" den Rechtszug nehmen soll bis schließlich an „die
rechte Oberhand'den Konstanzer Dompropst: ,,darby soll es dann blyben ohne
ferner wägen und appellieren/'45 Einige Jahrzehnte später ist jedoch das Landgericht
das zentrale Appellationsgericht des Thurgaus. Die 1474 aufgezeichnete Öffnung
von Weinfelden, das Gemeinbesitz der Stadt Konstanz und der Familie
Kornfeil war, zeigt den erreichten Zustand. Es heißt dort: „Item welcher zu W.
mit einer urthel vermeint beschwert zu sein, der mag die für das landgericht im
Thurgau ziehen und die lassen erklären." 46

Schon diese Beispiele lassen erkennen, daß unter notarieller Mitwirkung gegen
Mitte des 15. Jahrhunderts die Nachrichten über weltliche Appellationen im
Bodenseeraum auffallend zunehmen. Als Berufungsinstanz werden die nächste
Obrigkeit und der Kaiser angerufen. 1447 beurkundet der Konstanzer Notar
Johannes Link von Grüningen in einem Erbstreit eine Appellation von Konstanzer
Bürgern gegen ein Urteil des Hofgerichts Rottweil an den römischen Kaiser.47
Mitunterzeichner des Instruments ist der Notar Ulrich Mollitoris. Dieser ist 1455
Urkundsperson eines Appellationsinstruments, durch welches Ulrich im Hof und
andere gegen ein Urteil des Konstanzer Rats an den Kaiser appellieren.48 Auch
Überlingen erscheint unter den Beteiligten: 1469 fertigt der Konstanzer Notar
Michael Schriber von Meersburg ein Appellationsinstrument für Claus Ulrich von
Stad an, der in einem Rechtsstreit mit Bürgermeister und Rat von Überlingen
gegen ein Konstanzer Ratsurteil an den Kaiser und das Kaiserliche Kammergericht
appelliert.49 Ebenfalls 1469 beurkundet der Konstanzer Notar Nikolaus
Vögelli die Appellation einer Schaffhauser Bürgerin gegen ein Urteil des Konstanzer
Rats an den Bischof.50

Die Gerichtsbarkeit hat sich in diesem Zeitraum mehr oder weniger reibungslos
auf das neue Rechtsmittel eingestellt. Formgerechte Appellationen „an die oberen
hände" sind nun auf allen Ebenen, auch bei unteren Gerichten anzutreffen. Daneben
finden sich noch eine geraume Zeit die herkömmlichen Rechtsmittel des
Zugs bei gezweitem Urteil, des Zugs zur Spruchauskunft, des Schiebens auf die
obere Hand sowie Zwischen- und Übergangsformen.51 Daß aber immerhin noch
gegen Ende des 15. Jahrhunderts Verständigungsschwierigkeiten auftreten konnten
, mag der folgende Fall zeigen: 1495 verklagte Ulrich Gaudenz von Sipplingen
Ammann und Richter daselbst vor dem Hofgericht Rottweil auf Schadenersatz
und Erteilung eines Urteils- und Apostelbriefes.52 Als Begründung führte der Klä-

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